Finale der Champions League: Karius' schwerer Rucksack

Real Madrid gewinnt mit 3:1 gegen den FC Liverpool. Der entscheidende Spieler von Real kam von der Bank, der tragischste Spieler stand im Tor.

Ein Torwart schaut aus der Nähe einem Ball hinterher, der über die Linie rollt

War nicht sein Abend: Loris Karius, Torwart des FC Liverpool Foto: ap

KIEW taz | Mehr Drama geht eigentlich nicht. Aber als Toni Kroos in der späten Nacht von Kiew auf dem Weg zum Mannschaftsbus mit seinem kleinen Sohn kurz anhielt, um das Spiel aus seiner Sicht zusammenzufassen, tat er so, als sei er gerade Teilnehmer eines gewöhnlichen Fußballspiels gewesen.

Der deutsche Nationalspieler blendete einfach all die dramatischen Ereignisse und die tragischen Figuren dieses Abends aus: „Liverpool hat stark angefangen, wir haben gefühlt Mitte der Halbzeit mehr Kontrolle über das Spiel bekommen. In der zweiten Halbzeit machen wir das 1:0, im Gegenzug bekommen wir das 1:1. Danach sind wir wieder mehr am Drücker. Insgesamt geht der Sieg auch von den Möglichkeiten schon in Ordnung.“

Ja, so kann man es auch sehen. Real Madrid war einfach die bessere Fußballmannschaft in einem nicht gerade hochklassigen Finale. Wobei der eingewechselte Gareth Bale mit seiner ersten Ballberührung einen Moment der absoluten Vollendung und Perfektion schuf, der sich in unzählige Gedächtnisse eingraben und der mit dem dritten Champions-League-Erfolg in Serie von Real Madrid immer in Verbindung bleiben wird.

Sein spektakulärer Fallrückzieher hatte das 2:1 zur Folge und ebnete den Weg zum großen Triumph. Wenig später erzielte er auch das 3:1, das zugleich auch ein tragischer Höhepunkt war.

Karius patzt und patzt

Denn diese Partie hatte eine tragische Dimension, die sehr vieles überschattete. Bereits nach 37. Minuten hatten mit Liverpools Ausnahmestürmer Mohamed Salah und Madrids Außenverteidiger Dani Carvajal zwei Männer heulend den Rasen verlassen, weil sie verletzungsbedingt nicht mehr mitspielen konnten auf der größten Bühne des europäischen Vereinsfußballs. Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Russland ist für den Ägypter, der von Sergio Ramos rüde gefoult wurde, und den Spanier fraglich.

Die tragischste Figur dieses Abends, Liverpools Torhüter Loris Karius, hätte hingegen im Nachhinein einiges drum gegeben, wenn er bei diesem Spiel nicht hätte mittun müssen.

Auf dem Stadionbildschirm konnten die Zuschauer im Kiewer Stadion in Nahaufnahme verfolgen, wie Karius nach dem Schlußpiff weinend mit flehentlichen Gesten den Liverpooler Anhang um Vergebung für seine beiden großen Patzer bat. Beim ersten Treffer von Real hatte er den Ball direkt auf das ausgestreckte Bein des vor ihm stehenden Stürmers Benzema geworfen, von wo er aus ins eigene Tor trudelte. Und beim entscheidenden dritten Treffer boxte er einen direkt auf ihn zufliegenden Distanzschuss von Bale ins eigene Netz.

Jürgen Klopp über Karius' Fehler

„Das wünscht man seinem ärgsten Feind nicht“

Als sich hernach die Kameras unerbittlich an ihn hefteten und sich an sein Leid heranzoomten, machte sich zumindest bei etlichen neutralen Zuschauern eine Atmosphäre der Beklommenheit und Betroffenheit breit. Es beschlich einen eine Ahnung, welch schweren Rucksack der 24-jährige Deutsche in Zukunft mit sich herumschleppen wird. Die Perspektive von Toni Kroos auf das Spiel könnte dabei hilfreich sein.

Bale macht den Unterschied

„Das wünscht man seinem ärgsten Feind nicht“, sagte Liverpools Trainer Jürgen Klopp. Die Partie hatte für sein Team so gut angefangen. In der ersten halben Stunde bereitete der Außenseiter dem Favoriten mächtig Probleme. „Wir haben es gut gespielt. Wir haben viel Ballbesitz gehabt, die Seiten gewechselt, gut gepresst, Chancen kreiert“, befand Klopp. Doch mit Salahs Verletzung verloren die Reds jede Selbstverständlichkeit und Intuition.

Für Klopp hatte das Schicksal diese Partie entschieden, weniger die unterschiedlichen fußballerischen Qualitäten. In der ersten halben Stunde habe man gesehen, dass Liverpool das Spiel hätte gewinnen können. „Aber du brauchst in so einem Spiel auch Glück. Und wir hatten nicht nur kein Glück, wir wurden vom Unglück verfolgt.“

Das war jedoch nur die halbe Wahrheit. Verletzungen, wie Klopp selbst einräumte, gehören eben zum Fußball dazu. Und dieses Finale belegte, dass Liverpool nur im Zusammenwirken ihres formidablen Dreigestirns Salah, Firmino und Mané auf höchstem Niveau konkurrenzfähig ist. Der beeindruckend aufspielende Sadio Mané konnte allein zu wenig ausrichten.

Real Madrid hatte dagegen mit Bale einen entscheidenden Trumpf auf der Bank. Zinédine Zidane sagte: „Er war heute der Spieler, der den Unterschied ausgemacht hat.“

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