„Financial Times Deutschland“ macht dicht: Horror in Lachsrosa

Bei Gruner+Jahr wird nicht mehr gefragt, ob, sondern wann die „Financial Times Deutschland“ dichtgemacht wird und wie die letzte Ausgabe aussehen soll.

Fehlt künftig im Zeitungsständer: Die FTD. Bild: reuters

An Chuzpe hat es Steffen Klusmann selten gefehlt. „Sie haben möglicherweise in den vergangenen Tagen Meldungen in anderen Medien gelesen, wonach der Financial Times Deutschland (FTD) das Aus droht“, schreibt der Chef der Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien an diesem Dienstag im Editorial der Zeitung. Tatsächlich prüfe Gruner+Jahr „angesichts der Verluste“ der FTD „verschiedene Optionen“, entschieden werde „in den kommenden Tagen“.

Zuvor hatte Klusmann seinen Leuten in der Redaktionskonferenz erneut wenig Hoffnung auf das Fortbestehen der FTD machen können. Dort wurde bereits über das Aussehen der letzten Ausgabe der Zeitung in Lachsrosa nachgedacht.

Zu den Horrormeldungen des Medienherbstes 2012 dürfte sich bald das Ende der ersten Überregionalen gesellen. Am Hamburger Baumwall fragt man sich nicht mehr, ob, sondern nur noch wann die FTD Geschichte ist. Am 30. November, dem Tag der Aufsichtsratssitzung der Gruner+Jahr-Gesellschafterin Bertelsmann? Ende des Jahres? Oder schon diesen Freitag?

Es ist die Chronik eines seit langem angekündigten Todes. Immerhin hat die FTD seit ihrer ersten Ausgabe am 21. Februar 2000 noch in keinem Jahr Gewinne eingefahren, dafür Gruner+Jahr und dem früheren Anteilseigner Pearson Miese in Höhe von über 200 Millionen Euro beschert. In diesem Jahr sollen es für die Wirtschaftsmedien erneut 15 Millionen Euro Minus sein.

Am heutigen Mittwoch befindet der Aufsichtsrat über die Vorschläge der zuständigen G+J-Vorstandsfrau Julia Jäkel. Offenbar ist schon alles klar: Der Vorstand habe beschlossen, die FTD dichtzumachen und die Blätter Impulse und Börse Online zu verkaufen, meldete am Dienstagnachmittag das Onlineportal faz.net. Nur Capital solle bei G+J bleiben, aber nach Berlin umziehen. Dabei ist auch die Zahl der Abonnenten von Klusmanns Lieblingsspielwiese in den vergangenen fünf Jahren um fast 40 Prozent auf 55.000 abgesackt.

ist Co-Leiter des Ressorts Ökologie und Wirtschaft der taz und war von 2009 bis 2012 Redakteur der Financial Times Deutschland.

Mit dem Slogan „Wissen, was wichtig wird“ wollte die deutsche Lizenzausgabe der britischen Financial Times einst dem verschnarchten Platzhirsch Handelsblatt Beine machen. Das ist der FTD gelungen: Ihre journalistische DNA besteht aus Scoops, einer punktgenauen Schreibe, Meinungsstärke und opulenten Optiken. Das Blatt ist smart, analytisch – und schnell. Manche hielten sie für überhastet.

Lange hatte der einstige G+J-Chef Bernd Buchholz der Crew Mut gemacht, die FTD bleibe bestehen – solange eine „Tendenz nach oben“ zu erkennen sei. Doch Buchholz ist geschasst und der Trend schrecklich: Das Blatt ist quasi anzeigenfrei, die Auflage wird nur mit teuren Notoperationen über die für Anzeigenkunden wichtige Schwelle von 100.000 Exemplaren täglich gehievt. Dabei liegt die am Kiosk und an Abonnenten verkaufte Auflage mittlerweile bei nicht einmal 45.000 täglich. Die des Handelsblatts ist fast doppelt so hoch.

Es gab unzählige Umstrukturierungen, blutrote Sparrunden und 2008 die Zusammenlegung der FTD mit Capital, Impulse und Börse Online in Hamburg zu den etwa 250 Redakteuren zählenden G+J-Wirtschaftsmedien.

Es hat wohl wenig geholfen. Auch gestern bangte die Redaktion zwischen Trotz und Resignation – und träumte von Abfindungen. Gruner+Jahr dürfte dafür 40 Millionen Euro hinlegen.

Immerhin: Angeblich sollen die Kündigungen erst im kommenden Jahr rausgehen. Noch ist die Weihnachtsfeier für den 7. Dezember anberaumt. Und das soll auch so bleiben. Selbst im Fall des schlimmsten anzunehmenden Falles.

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