Fleisch ohne Tier: Hier geht’s um die Wurst

Die niedersächsische CDU will, dass nur Wurst heißen darf, wo auch Tier drin ist. Verbraucher könnten versehentlich vegetarische Produkte kaufen

Wurst in der Theke

Fleisch oder Fake: Niedersachsens CDU fürchtet Verwechslungsgefahr Foto: Maurizio Gambarini/dpa

HANNOVER taz | Totes Tier, wahlweise Schwein, Wild oder Geflügel, geschreddert und in einen Naturdarm gepresst. Das ist Wurst – sagt die CDU im niedersächsischen Landtag. Dass sich auch Veggie-Produkte Wurst nennen, wollen sie verbieten lassen und haben deshalb einen Antrag zur besseren Kennzeichnung von Fleisch­imitaten gestellt – heute soll darüber im Plenum entschieden werden. Doch Kritik daran kommt nicht nur von Rot-Grün, sondern auch von einem Fleischproduzenten.

„Der Verbraucher wird getäuscht“, sagt Frank Oesterhelweg (CDU). Das Wort „Veggie“ vor dem Schnitzel reiche nicht, um Fehlkäufe zu verhindern. Laut der Verbraucherzen­trale Niedersachsen greifen rund vier Prozent der Konsumenten versehentlich zu vegetarischen Ersatzprodukten, weil sie diese für Fleisch gehalten haben. Das geht aus einer Befragung von rund 1.000 Verbrauchern hervor.

„Ich bin selbst schon über Veggie-Geflügelsalat gestolpert, den es ja per Definition gar nicht geben kann“, sagt Oesterhelweg, der selbst schon einmal „vegetarischen Aufstrich mit Wurstgeschmack“, wie er die Veggie-Leberwurst nennt, probiert hat und lecker fand. „Ich habe mit den Produkten kein Problem, aber hier geht es darum, Verbraucher zu schützen.“

Kein Aufstand wegen Mäusespeck

Laut dem Vegetarierbund ernähren sich in Deutschland rund 7,8 Millionen Menschen vegetarisch und rund eine Million Menschen vegan.

Weltweit sollen es eine Milliarde Menschen sein, die auf Fleisch oder grundsätzlich auf tierische Produkte verzichten.

Konzerne verdienen mit Fleischalternativen wie der Veggie-Wurst immer mehr Geld. Seit 2008 verzeichnen sie ein jährliches Umsatzplus von 30 Prozent.

Im Jahr 2014 lag der gesamte Jahresumsatz bei rund 100 Millionen Euro. Laut dem Marktforschungsinstitut Nielsen waren es 2015 über 150 Millionen Euro.

Die Fleischersatzprodukte werden auf der Basis unterschiedlicher Pflanzen hergestellt. Am häufigsten ist Soja. In Deutschland boomt der Anbau der Hülsenfrucht – zwischen 2012 und 2015 hat sich die Anbaufläche verdoppelt.

Doch auch Seitan, Lupinensamen und Quorn eignen sich für Veggie-Produkte.

SPD und Grüne halten das für Unsinn. Das Verwechslungsrisiko sei gering, sagt die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte. „In Mäusespeck sind weder Mäuse noch Speck verarbeitet.“ Da mache die CDU auch keinen Aufstand wegen irreführender Bezeichnungen.

Wenn ein Veggie-Produkt „Schnitzel“ hieße, wisse der Verbraucher vielmehr, was er für einen Geschmack, welche Konsistenz er erwarten könne und dass das Produkt gebraten werden solle.

Verbraucher könnten sehr wohl erkennen, dass die Begriffe „Veggie“ oder „vegetarisch“ dafür stünden, dass in der Wurst kein Fleisch enthalten sei, meint auch der SPD-Abgeordnete Ronald Schminke. Und falls es doch zu Fehlkäufen komme, „sterben werden sie daran auch nicht“. Der Vorschlag der CDU sei falsch verstandene Loyalität gegenüber der Fleischindustrie, sagt Schminke.

Denn sogar klassische Fleischproduzenten wie das Unternehmen Rügenwalder Mühle halten nichts von dem Vorschlag der CDU. „Wir sind dafür, Fleischbegriffe für vegetarische Alternativen eindeutig zuzulassen“, sagt der Geschäftsführer des Unternehmens aus dem niedersächsischen Bad Zwischenahn, Godo Röben. Rügenwalder produziert auch vegetarische Alternativprodukte wie Bratwürste oder Hack und benennt diese auch so.

Namen nur zur Orientierung

Die Begriffe seien Orientierung für Konsumenten. „Ähnlich wie bei alkoholfreiem Bier“, sagt Röben. „Da kann sich auch jeder etwas drunter vorstellen, obwohl eines der zentralen Merkmale, der Alkohol, fehlt.“

Auch der Vegetarierbund (Vebu) sieht Alternativbegriffe wie „Bratstück“ kritisch. „Das hätte Verwirrung auf Seiten der Kunden zur Folge“, sagt Vebu-Sprecher Till Strecker. Das sei „genau das Gegenteil von dem, was die CDU eigentlich erreichen will“.

SPD und Grüne haben in die Landtagssitzung einen Änderungsantrag eingebracht. Sie wollen weiterhin „Schnitzel“ oder „Wurst“ auf Veggie-Produkten stehen haben, sich stattdessen aber auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“ eindeutig definiert werden. Dann könnte beispielsweise ausgeschlossen werden, dass Apfelsaft, der mit Gelatine gefiltert worden ist, als vegan gelte – eine Forderung die auch die CDU sinnvoll findet.

Parallel zu der Debatte in Niedersachsen entscheiden heute auch die Richter des Europäischen Gerichtshofs über die Klage eines Verbandes namens Sozialer Wettbewerb aus Berlin gegen die Firma Tofutown. Die verkauft Produkte wie „Veggie-Cheese“ und „Soyatoo-Tofu-Butter“. Die Frage ist nun, ob so in der EU nur Milchprodukte heißen dürfen.

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