Flüchtlinge aus Syrien: Also doch – danke, Deutschland!

Die Innenminister wollen mehr Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Im Gegenzug droht hier lebenden Menschen schnellere Abschiebung.

Auf dem Weg nach Deutschland: syrische Flüchtlinge in Beirut, Libanon. Bild: dpa

BERLIN taz | Deutschland will mehr Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Einen entsprechenden Bericht der Welt bestätigte am Mittwoch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Bund und Länder verhandeln derzeit über neue Plätze für die sogenannte humanitäre Aufnahme. Auf der Innenministerkonferenz am 11. Juni in Düsseldorf soll die endgültige Entscheidung fallen. Möglicherweise sollen bis zu 10.000 weitere Plätze bereitgestellt werden, hieß es in Berlin.

„Deutschland übernimmt zwar jetzt schon mehr Verantwortung für Flüchtlinge aus Syrien als die anderen EU-Mitgliedstaaten“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Strobl, der Welt. „Aber wir können noch mehr tun.“

Deutschland hatte im März 2013 ein erstes Kontingent von 5.000 Plätzen für Flüchtlinge aus dem Syrien-Krieg beschlossen. Davon sollten vor allem Menschen im Libanon profitieren. Doch das Auswahl- und Aufnahmeverfahren war derart bürokratisch, dass erst am heutigen Donnerstag die letzten Flüchtlinge aus diesem Kontingent tatsächlich einreisen.

Das zweite humanitäre Aufnahmeprogramm des Bundes – weitere 5.000 Plätze – wurde im Dezember 2013 beschlossen. Bis Februar dieses Jahres konnten in Deutschland lebende Syrer beantragen, ihre Verwandten nachzuholen. Etwa 76.000 Anträge für diese Plätze sind bei den Ländern eingegangen.

Die Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge hat der EU-Grenzschutzagentur Frontex zufolge stark zugenommen. „In den ersten vier Monaten des Jahres haben 42.000 Migranten versucht, illegal in die EU zu gelangen“, sagte der Vizedirektor von Frontex, Gil Arias Fernandez, am Mittwoch in Brüssel. „Das sind dreimal mehr als im gleichen Zeitraum des Jahres 2013.“ Besonders betroffen sind demnach Italien und in geringerem Ausmaß Malta.

Über das Mittelmeer kamen demnach von Jahresbeginn bis Ende April in oft unsicheren Booten bereits mehr als 23.000 Flüchtlinge nach Italien. Im gesamten Jahr 2013 hatten dem Frontex-Vizedirektor zufolge 40.000 Migranten die gefährliche Überfahrt dorthin gewagt. (afp)

5.000 Plätze vergeben

Dieses Kontingent war größtenteils für Flüchtlinge mit „Bezug zu Deutschland“ reserviert gewesen. Dabei war eines der Aufnahmekritierien, ob hier lebende Verwandte sich an den Aufnahmekosten beteiligen können. Die Länder haben aus den 76.000 Anträgen in den letzten Wochen vorgesiebt, derzeit filtert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiter. Das hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums mittlerweile rund die Hälfte der 5.000 Plätze vergeben. Etwa 1.000 Aufnahmebescheide wurden für das Visumverfahren an die deutschen Botschaften verschickt. Eingereist sind aus dem zweiten Kontingent bislang 150 Flüchtlinge.

Pro Asyl forderte am Donnerstag, genau so viele Plätze bereitzustellen, wie von hier lebenden SyrerInnen beantragt wurden: rund 80.000. „Eine angemessene Reaktion auf die hohe Zahl der Anträge wäre es, in einer Ad-hoc-Maßnahme diesen Antragstellern die Einreise zu gestatten. Statt langwieriger bürokratischer Prüfungsverfahren sollte sich die Bundesregierung zu einer Sofortmaßnahme entschließen und die Flüchtlinge einreisen lassen“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Er nannte es „schäbig“, dass das Innenministerium darüber nachdenkt, die neuen Plätze für Syrer mit beschleunigter Abschiebung anderer, abgelehnter Flüchtlinge zu schaffen. Auch dies hatte die Welt berichtet. Das Innenministerium mochte hierzu am Mittwoch nichts sagen – ebenso wenig wie zu der Frage, nach welchen Kriterien die aufzunehmenden SyrerInnen ausgesucht werden sollen.

Das Rote Kreuz forderte ein schnelleres Aufnahmeverfahren. Es müsse alles getan werden, um die noch immer schwerfälligen Prozeduren zu beschleunigen und zu entbürokratisieren, so DRK-Präsident Rudolf Seiters. Der Bürgerkrieg in Syrien treibt nach einer Studie des Beobachtungszentrums für Inlandsflüchtlinge (IDMC) jede Minute eine Familie in die Flucht.

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