Flüchtlinge im Michel: Der organisierte Hilferuf

Eine Gruppe von Roma sucht Kirchenasyl im Hamburger Michel, um der Abschiebung zu entgehen. Bis Sonntag wird sie in der Kirche geduldet.

Rund 40 Roma - Erwachsene und Kinder - fordern im Michel ein Bleiberecht für ihre Familien in Deutschland. Foto: Christian Charisius (dpa)

HAMBURG taz | Eine Gruppe von Roma hat sich am Donnerstag in Hamburgs Hauptkirche Michel zu einem Protest gegen ihre drohende Abschiebung versammelt. Mehr als 20 Familien hätten von der Ausländerbehörde einen Bescheid für ihre Abschiebung nach Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und in den Kosovo innerhalb der nächsten Woche erhalten.

Sie forderten ein Bleiberecht für ihre Familien in Deutschland, sagte ein Sprecher der Gruppe, die im Michel Hilfe suchte. 14 Roma seien am Mittwoch bereits aus Hamburg abgeschoben worden.

Etwa 50 Menschen, Roma und Unterstützer, hielten im Kirchenschiff des Michels Transparente hoch. „Das hier ist eine schöne und starke Aktion“, sagte Isen Asamovski. Er ist Mitglied im Netzwerk „Romano Jekipe ano Hamburg“, das sich für die Rechte der Roma in Hamburg einsetzt.

In den vergangenen Tagen hätten einige Mitglieder des Netzwerkes Abschiebebescheide bekommen, sich aber geweigert, in ihre Herkunftsländer zu fliegen. „Deutschland ist gut für uns, wir wollen nicht zurück“, sagt er. Die Kirche könne ihn und seine Landsleute vor einer Abschiebung in die Balkanstaaten beschützen, so die Hoffnung.

Asamovski kündigte an, dass sie sich so lange in der Kirche aufhalten werden, bis es eine Lösung gebe. Die Michel-Pastoren Alexander Röder und Hartmut Dinse waren schnell vor Ort und zogen sich mit Mitgliedern der Gruppe ins angrenzende Gemeindehaus zurück, um über mögliche Lösungswege zu beraten.

Dort verbrachten die 40 Roma, die einen Abschiebebescheid erhalten haben, auch die Nacht. Sie wurden von der Kirche und UnterstützerInnen mit Lebensmitteln, sowie Hygiene-Artikeln und Kleidung versorgt. Am heutigen Freitag berät der Kirchengemeinderat über das weitere Vorgehen. Bis Sonntag ist die Gruppe Roma in den Räumen der Kirche geduldet. Laut Isen Asamovski kündigten die Pastoren zudem an, das Gespräch mit der Ausländerbehörde suchen zu wollen, um über einen möglichen Abschiebestopp zu verhandeln.

Norman Paech ist emeritierter Professor für Verfassungs- und Völkerrecht der Universität Hamburg und hat für die „Rom und Cinti Union“ ein juristisches Gutachten erstellt. Der Verein setzt sich seit den 1980er-Jahren „für den Schutz gegen Verfolgung und zur Förderung von Rom und Cinti als nationale Minderheit“ ein.

Paech war gestern auch im Michel, um den Familien ihre juristischen Möglichkeiten zu erklären. „Ich habe alle drei Balkanstaaten in meinem Gutachten analysiert“, sagt er. Das Ergebnis sei eindeutig: Der Beschluss der Bundesregierung zu den sicheren Herkunftsstaaten für Roma sei verfassungswidrig.

Im vergangenen November erklärte die Bundesregierung Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu eben solchen sicheren Herkunftsstaaten. Das Asylverfahren bei der Flüchtlingsgruppe aus diesen Staaten wird seitdem beschleunigt durchgeführt. Flüchtlinge, deren Anträge abgelehnt werden, können innerhalb von vier Wochen in ihre vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten geschickt werden.

Doch gerade für die Roma seien diese Staaten eben keine sicheren Herkunftsländer, sagt Isen Asamovski. Denn die Roma hätten dort unter Rassismus der Bevölkerungsmehrheit und von Seiten des Staates zu leiden, sie seien außerdem Opfer von Diskriminierung, Benachteiligung, Gewalt und werden systematisch verfolgt.

„Wir unterstützen die Roma daher seit Jahren und fordern einen Abschiebestopp“, sagt Hermann Hardt vom Hamburger Flüchtlingsrat. Viele Roma wurden in der Vergangenheit bereits aus Hamburg abgeschoben.

Seit Mai ist die Gruppe „Romano Jekipe Ano Hamburg“ wieder aktiv und setzt sich für die Belange der Roma ein. Jeder Mensch habe das individuelle Recht auf Asyl, erklärt Hardt. „Sichere Herkunftsstaaten sind Blödsinn, denn sie klammern diese verfolgten Menschen aus.“

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