Flüchtlingsheim Motardstraße: Senat lässt das Lager offen

Eigentlich sollte das umstrittene Heim Motardstraße geschlossen werden - nun hat es sich der rot-schwarze Senat offenbar anders überlegt.

In der Spandauer Motardstraße leben die Flüchtlinge hinter Zäunen. Bild: misterQM/Photocase

Rot-Schwarz verabschiedet sich offensichtlich vom Ziel, die umstrittene Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in der Spandauer Motardstraße zu schließen. Das legt die Antwort der Sozialverwaltung auf eine Anfrage der grünen Migrationspolitikerin Canan Bayram nahe.

Als im Jahr 1989 erstmals Flüchtlinge in die Wohncontainer mitten im Industriegebiet ziehen mussten, galt dies als Provisorium. Die Lage, abgeschieden von Schulen, Ärzten und Einkaufsmöglichkeiten, wurde von Anfang an kritisiert. Die Wohnbedingungen in den beengten Räumen lassen keine Privatsphäre zu, sanitäre Einrichtungen und Küchen sind unzureichend. Um das Heim, vom Flüchtlingsrat „Lager“ genannt, windet sich Stacheldraht.

Erst vor gut einem Jahr stellte Rot-Rot nach heftigen Protesten die Weichen auf Schließung des Heims Motardstraße. Die damalige Sozialsenatorin Carola Bluhm plante einen neuen Standort in der Lichtenberger Rhinstraße. Gegenwärtig wird das Heim inmitten eines vietnamesisch geprägten Wohn- und Gewerbegebietes bezogen. Jetzt wird deutlich: Das Heim ist mit 400 Plätzen viel zu klein für die neu nach Berlin kommenden Asylbewerber. Derzeit wohnen laut Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) 640 Asylsuchende in den beiden Einrichtungen. 25 davon sind gesetzlich zwar nicht verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, wo es Essen und Sachleistungen statt Bargeld gibt. Allerdings finden sie weder Wohnungen noch Plätze in einem Folgeheim.

Nach Angaben von Büge ist die Entscheidung über die Schließung der Motardstraße noch nicht gefallen und soll „erst nach der vollständigen Inbetriebnahme der Einrichtung in der Rhinstraße“ getroffen werden – in Abhängigkeit von den Zahlen neu einreisender Asylbewerber. Diese Zahl stagniert seit letztem Sommer, nachdem sie zuvor stark angestiegen war. Zudem gibt Büge an, der Senat wolle an mindestens zwei Standorten Erstaufnahmeeinrichtungen betreiben, plane aber aktuell keinen zusätzlichen Standort. Was nichts anderes heißt, als dass es wohl beim Status quo bleibt.

Flüchtlingsratssprecherin Martina Mauer fordert die sofortige Schließung „der völlig maroden Containerunterkünfte“ in der Motardstraße. „Offensichtlich hat sich der Senat vom Ziel verabschiedet, Flüchtlinge so schnell wie möglich in Wohnungen unterzubringen“, sagt sie und verweist darauf, dass nach amtlichen Angaben von rund 10.000 Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen in Berlin etwa 3.500 „in Sammellagern lebten – unter zum Teil unwürdigen Bedingungen“. Mitte 2010 waren es bei ebenso vielen Asylsuchenden nur 1.500.

„Dem Senat fehlt ein Konzept für die Unterbringung von Flüchtlingen“, kritisiert auch die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. „Statt zwei teure Heime für das Erstaufnahmeverfahren bereitzustellen, von dem eins unzumutbar ist, sollte er endlich das Kontingent für Flüchtlinge in landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erweitern. Berlin kann nicht gezwungen werden, die teure Motardstraße weiter unter Vertrag zu lassen.“ Das Heim ist mit einer Frist von drei Monaten jederzeit kündbar.

Der Kritik schließt sich Exsozialsenatorin Carola Bluhm von den Linken an. „Es ist sehr bedauerlich, dass die neue Landesregierung nicht an unserem Vorhaben festhält, das abgelegene und dringend sanierungsbedürftige Heim in der Motardstraße zu schließen. Wenn die Kapazität in Lichtenberg nicht ausreicht, muss sie nach Alternativstandorten suchen.“

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