Flüchtlingskatastrophe im Sudan: Vernichtung in den Bergen

Ein Flüchtling aus den Nuba-Bergen berichtet von "ethnischen Säuberungen" der Armee Khartums am schwarzafrikanischen Nuba-Volk.

Flüchtlinge in Kadugli, der Hauptstadt Kordofans. Bild: reuters

JUBA taz | Nervös fummelt David an seinen Fingern herum, sein Gesicht ist angespannt. Aus Angst will er nicht seinen richtigen Namen nennen. "Ich werde nie vergessen, was ich erlebte", sagt er leise. David arbeitet bei einer religiösen Organisation und floh vor einigen Tagen vor Sudans Armee aus den Nuba-Bergen Nordsudans in Südsudans Hauptstadt Juba.

"In den Nuba-Bergen finden ethnische Säuberungen statt. Ziel sind wir, das Nuba-Volk", beschreibt David die Ereignisse der letzten Wochen in Südkordofan, der Provinz, wo die Nuba-Berge liegen. Auch abgezogene Mitarbeiter von Hilfswerken und Menschenrechtsgruppen sprechen von ethnischen Säuberungen durch die Armee Nordsudans gegen die Nuba, ein schwarzafrikanisches Volk in der überwiegend von arabisch-afrikanischen Nomaden besiedelten Provinz.

"Häuser, wo Nuba lebten, wurden beschossen, geplündert und verwüstet. Häuser von arabischen Afrikanern wurden in Ruhe gelassen. Die nordsudanesischen Führer wollen unsere Kultur vernichten und uns verjagen", erzählt David. Tagelang versteckte er sich mit seiner Familie unter dem Bett in seinem Haus, als die Armee einrückte. "Es war traumatisch. Die Schießereien hörten nie auf. Wir alle hatten solche Angst. Ich blieb noch ein wenig auf dem Laufenden mit Familie und Bekannten, weil mein Mobiltelefon funktionierte."

Zwei Wochen vor der für 9. Juli geplanten Unabhängigkeit Südsudans hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) die beiden Hälften Sudans besucht. Nach Gesprächen in Khartum, Hauptstadt des Nordens, sowie in El Fasher in Darfur traf er sich gestern in Südsudans Hauptstadt Juba mit Präsident Salva Kiir und sagte die Unterstützung Deutschlands zu.

Es gebe "zahllose ungelöste Probleme", sagte Westerwelle; "die Arbeit geht erst noch los." Deutschland hält im Juli den Vorsitz des UN-Sicherheitsrats und muss daher Südsudans Aufnahme in die UNO und ein neues UN-Mandat für Sudan organisieren. Eine Bitte Salva Kiirs um deutsche Waffen tat Westerwelle als "Scherz" ab. (dpa)

Südkordofan grenzt an Südsudan, das in zwei Wochen unabhängig wird. Als in Südsudan die Rebellenarmee SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) für die Unabhängigkeit kämpfte, schlossen sich ihr einige Nuba an. Und die Nuba in den Bergen griffen selbst zu den Waffen.

Jahrelang wurden die Nuba-Berge von Khartums Armee umzingelt und ausgehungert. Im Jahr 2002 wurde eine Feuereinstellung vereinbart. Drei Jahre später unterschrieben Nord und Süd ihr Friedensabkommen für Südsudan, das jetzt zur Unabhängigkeit führt.

Khartum behauptet, die Militäraktion in Südkordofan inklusive Luftangriffe diene dazu, die Restbestände der SPLA in der Provinz zu entwaffnen. Es seien entgegen den Vereinbarungen noch südsudanesische SPLA-Einheiten in der Provinz, und gegen die kämpfe man. Aber Vertreter des Nuba-Volks sagen, dass die schätzungsweise 30.000 SPLA-Kämpfer in der Provinz alles Nuba seien, also nicht aus dem Südsudan gekommen sind.

Auch David meint, dass es eine einseitige Aktion ist. "Ich habe den Krieg miterlebt in den Nuba-Bergen und kenne den Unterschied. Es wurde sehr viel geschossen, Tage und Nächte lang, aber es wurde nicht zurückgeschossen. In dem Chaos sah ich Menschen in alle Richtungen rennen, inklusive SPLA-Kämpfer."

Rund 100.000 Flüchtlinge

Der Flüchtling vermutet, dass die Nuba-Kämpfer der SPLA sich jetzt in die schwer zugänglichen Bergen zurückziehen und einen Guerillakrieg führen werden wie in den 90er Jahren. "Man kann es denen ja nicht übelnehmen", findet er. "Der Norden behandelt uns als Bürger zweiter Klasse. Die Kämpfer sterben lieber, als ihr Gebiet zu verlassen."

Rund 100.000 Menschen sind vor der Gewalt in Südkordofan geflohen. Wie viele Menschen ums Leben kamen, ist unklar. David glaubt, es seien mehrere hundert. "Ich bin noch immer in Kontakt mit Menschen in der Region, nicht nur mit Nuba, sondern auch mit Arabern. Es gibt Berichte über Massengräber", sagt er.

"Jetzt, wo die Abtrennung des Südens vor der Tür steht, will der Norden die völlige Kontrolle über sein Territorium", analysiert John Ashworth, langjähriger Berater des Sudanesischen Ökumenischen Forums in Juba. "Khartum duldet keine Kritiker mehr." Er ist zornig über die abwartende Haltung der internationalen Gemeinschaft. "Sie sollten Druck auf Khartum ausüben. Jetzt schauen sie nach dem Süden, damit er die Lage löst. Aber das Friedensabkommen stellt klar, dass die Nuba-Berge im Norden liegen. Da kann der Süden sich nicht einmischen."

Als David Kadugli, die Hauptstadt von Südkordofan, erreichte, sah er, wie tausende Nuba sich am Eingang des Stützpunkts der UN-Mission im Sudan (Unmis) sammelten. Sie hofften auf Schutz. Aber sie mussten draußen bleiben. David macht sich jetzt große Sorgen über die Lage der Menschen, die nicht geflohen sind. "Der Provinzgouverneur hat Nuba, deren Häuser zerstört sind, aufgefordert, sich in Schulen und in Stadien zu sammeln. Ich befürchte das Schlimmste."

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