Flüchtlingspolitik in Hamburg: SPD zeigt sich unbeeindruckt

Der SPD-Landesparteitag bestätigt den Kurs des Innensenators im Umgang mit der Lampedusa-Gruppe. Ein Antrag auf ein Bleiberecht wird abgelehnt.

Steife Brise: Die Flüchtlingspolitik der Hamburger SPD provoziert eindeutige Meinungen auch unter FC-St.-Pauli-Fans. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die steife Brise, die der SPD wegen ihrer Flüchtlingspolitik in Hamburg derzeit entgegen weht, ist auch am Landesparteitag nicht spurlos vorbeigegangen: Am Freitagabend standen beim Landesparteitag in Wilhelmsburg gleich drei Anträge zur Flüchtlingspolitik auf dem Programm. Einen Initiativantrag, in dem der Senat aufgefordert wurde, die 300 Geflüchteten der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ Bleiberecht zu gewähren, lehnten die 300 Delegierten mehrheitlich ab.

Lediglich ein Dutzend Sozialdemokraten votierten für den von Jochen Rasch auf dem Parteitag eingebrachten Vorstoß, einen grundlegenden Kurswechsel im Umgang mit der Lampedusa-Gruppe zu vollziehen und eine Gruppenlösung nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes zu gewähren. Jochen Rasch ist ein junger Delegierter, der bei den Parteigenossen im Ruf steht, den alten Geist der Partei zu vertreten – gar ein orthodoxer Marxist zu sein.

Dafür stimmten die Sozialdemokraten fast einstimmig für einen Antrag für eine „humanitäre und rechtsstaatliche Flüchtlingspolitik“ von Landesvorstand und Fraktion, wonach die Stadt die Unterbringungen für Flüchtlinge nicht nur zügig ausbauen, sondern auch gerechter auf alle Stadtteile verteilen soll.

Die meisten Eckpunkte richten sich allerdings nicht an den Senat sondern an die neue Bundesregierung: Die Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen soll verbessert werden. Damit Flüchtlinge schneller erwerbstätig werden können, soll sich Hamburg dafür einsetzen, dass die Bundesregierung das EU-Recht umsetzt, das eine verkürzte Sperrfrist von zwölf auf neun Monate vorsieht. Außerdem müsse die neue Bundesregierung darauf drängen, dass in den EU-Mitgliedsstaaten Mindeststandards eingehalten werden.

Ein weiterer Antrag der Jusos aus dem Kreis Mitte ging noch einen Schritt weiter: Er forderte unter anderem die Abschaffung von Massenunterkünften mit mehr als 30 Menschen. Der Antrag sei aber mit dem beschlossenen Antrag des Landesvorstands hinfällig geworden, sagt SPD-Pressesprecher Lars Balcke.

96,3 Prozent: Mit großer Mehrheit nominierte die SPD am Freitag auf ihrem außerordentlichen Landesparteitag im Bürgerhaus Wilhelmsburg den Europaabgeordneten Knut Fleckenstein für die Bundesliste zur Europawahl im kommenden Jahr. Der 59-Jährige sitzt bereits seit 2009 im Europaparlament.

In den Landesvorstand gewählt wurde der Kreisvorsitzende der Altonaer SPD, Mathias Petersen: Er erhielt 89,1 Prozent der Delegiertenstimmen.

Neben der Flüchtlingspolitik befasste der Landesparteitag sich mit dem Verkehr: Dazu wollen die Sozialdemokraten im kommenden Jahr einen gesonderten Parteitag abhalten.

Im beschlossenen Antragstext wirbt der Landesvorstand außerdem für eine „Versachlichung“ der Debatte um die Lampedusa-Flüchtlinge. Ließen sich die Flüchtlinge auf die vom Senat forcierte Einzelfallprüfung ein, stehe ihnen für die Dauer des Asylverfahrens ein „Aufenthaltstitel, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie eine umfassende, auch medizinische Versorgung zu“.

Der Senat und die Fraktion verfolgen das Ziel, bei den Betroffenen Vertrauen in den Rechtsstaat und die damit verbundenen Einzelfallprüfungen zu erwecken. Voraussetzung sei jedoch, dass die Flüchtlinge ihre Identitäten und Fluchtgeschichten preisgeben.

Das lehnt die Gruppe bislang ab, weil sie befürchtet, dass die SPD ihr Aufenthaltsrecht nur deshalb feststellen will, um sie so schnell wie möglich nach Italien abzuschieben. Nur drei der insgesamt 80 in der St.-Pauli-Kirche untergebrachten Lampedusa-Flüchtlinge hatten sich anders entschieden und am vergangenen Donnerstag einen Antrag auf Bleiberecht gestellt.

Direkt nach dem Landesparteitag demonstrierten am Samstag rund 15.000 Menschen in der Innenstadt gegen die Flüchtlingspolitik der Hamburger Sozialdemokraten. Die sei heuchlerisch, rief ein Sprecher vom Lautsprecherwagen. Auf T-Shirts und Schildern fand sich noch eine schlichtere Formel: „FCK SPD“ war da zu lesen.

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