Flüchtlingsprotest in Berlin: Mutiger Tanz in deutscher Kälte

Mehrere tausend Menschen protestieren gegen die Asylpolitik. Anreisende Flüchtlinge geraten in Polizeikontrollen wegen Residenzpflicht.

Protest bei klirrender Kälte: Mehrere tausend Menschen demonstrieren gegen die deutsche Asylpolitik. Bild: dpa

Die Demonstration hat noch nicht begonnen, als plötzlich eine Durchsage über den Oranienplatz schallt. Ein Flüchtling, der mit anderen aus Halberstadt angereist war, wurde am Ostbahnhof festgenommen, heißt es. Entsetzen macht sich auf den Gesichtern der Umstehenden breit. Kurze Zeit später kommt Entwarnung. Der Mensch sei wieder freigelassen worden, bekomme aber ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht.

Zum Jahrestag der Flüchtlingsproteste ist am Samstag eine Demo unter dem Motto „Refugees’ Revolution“ vom Kreuzberger Oranienplatz, wo seit Oktober das Flüchtlingscamp steht, zum Bundestag gezogen. Laut VeranstalterInnen haben bis zu 5.000 Menschen daran teilgenommen, die Polizei spricht von rund 2.000. Mit der Demo, die auch den Abschluss einer deutschlandweiten Bustour durch Flüchtlingslager bildet, wollen die Asylbewerber ihren Forderungen Nachdruck verleihen: Abschaffung der Residenzpflicht, Schließung aller Lager und Stopp aller Abschiebungen.

Trotz der eisigen Temperaturen sind viele Familien mit Kindern gekommen. Auch viel junges Demovolk und ältere Menschen marschieren mit. Zum Beispiel Irmela Mensah-Schramm, die sich seit Jahrzehnten für die Rechte Geflüchteter einsetzt. Auf einem Schild um ihren Hals steht: „Kein Bleiberecht für Nazis und Rassisten.“ Sie fordert, dass „die Menschen den Flüchtlingsprotest auf dem Oranienplatz nicht einfach nur akzeptieren, sondern selbst aktiv werden“.

Eine Trommelgruppe und mehrere Lautsprecherwagen beschallen den Zug. Viele Protestler halten selbst gebastelte Schilder und Fahnen in die Höhe, auf denen steht „We will rise“ und „Kein Mensch ist illegal“. Ganz vorne laufen die Flüchtlinge. Sie tragen ein großes Banner mit ihren Forderungen in verschiedenen Sprachen und rufen „No border, no nation, stop deportation“. Hinter ihnen erklingt „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“ von den UnterstützerInnen.

Viele Flüchtlinge seien extra zur Demo angereist, erklärt Mitorganisator Jan – obwohl die Situation für sie gefährlich sei. Bereits auf dem Hinweg seien einige in Polizeikontrollen geraten und hätten nun ein Verfahren wegen Verletzung der Residenzpflicht am Hals. „Aber da die Öffentlichkeit für die Flüchtlingsproteste immer größer wird, sinkt auch die Hemmschwelle für die Betroffenen, sich anzuschließen“, sagt Jan. Allein 160 Flüchtlinge seien aus Sachsen- Anhalt gekommen, weitere 50 aus Hannover, viele mehr aus Passau, Stuttgart und anderen Teilen der Republik.

Einer von ihnen ist Django aus Ruanda. Auch er findet, dass sich die Situation seit den Protesten etwas verbessert habe. „Trotzdem werden wir weiter kämpfen“, sagt er. Vor allem die Residenzpflicht müsse endlich weg: „Oder würdest du es hinnehmen, wenn ich dir einen Zettel gebe, auf dem steht, du musst hier sitzen bleiben und darfst die Straße nicht überqueren?“

Am Checkpoint Charlie stehen wie immer die Schauspieler-Soldaten zum Fotografieren für die Touristen bereit. Einige Flüchtlinge drängen sich ins Bild und halten ihre Fahnen vor die Soldaten. Die umstehenden Touristen gucken verdutzt. Der Zug zieht weiter zum Potsdamer Platz. Sommerliche Reggaeklänge schallen durch die Lautsprecher, ein paar Dutzend junge Leute tanzen sich warm. Aber viele Familien verlassen die Demo, es wird immer kälter, zusätzlich kommt eisiger Wind auf.

Für die anderen geht es weiter zum Bundestag. Nach der Abschlusskundgebung positionieren sich alle Flüchtlinge auf der großen Wiese vor dem Reichstagsgebäude und rufen ihre Forderungen in Richtung Kanzlerin.

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