Flüchtlingsproteste in Berlin: Hungerstreik ist das kleinere Übel

Seit zehn Tagen sind Flüchtlinge in Berlin im Hungerstreik. Über 30 wurden bereits im Krankenhaus behandelt. Die Politik ignoriert sie.

Sie wollen leben und sind bereit, dafür zu hungern Bild: dpa

BERLIN taz | Die Berliner Polizei hat Gerüchte um eine möglicherweise anstehende Räumung der hungerstreikenden Flüchtlinge am Brandenburger Tor dementiert. Ein Eingreifen der Polizei sei nicht mehr ausgeschlossen, hatte am Freitag eine Nachrichtenagentur geschrieben und einen Polizeisprecher mit der Aussage zitiert: „Einen Gruppensuizid in der Öffentlichkeit können wir nicht zulassen“.

Auf taz-Nachfrage relativierte der Sprecher allerdings, man plane „weiterhin keine Räumung“. Grundsätzlich behalte man sich aber alle Möglichkeiten offen und werde „die Situation im Auge behalten“.

Tatsächlich verschlechtert sich der Gesundheitszustand der 27 Männer und 2 Frauen nach zehn Tagen ohne Essen und fünf Tagen ohne Trinken zusehends. Nach Angaben der Feuerwehr mussten seit Beginn des Durststreiks am Montag 34 Menschen ins Krankenhaus gebracht werden, einige kollabierten bereits zum zweiten Mal. Doch bislang kehren die Flüchtlinge, sobald sie wieder auf den Beinen sind, zum Brandenburger Tor zurück.

Die „non-citizens“, wie sie sich selbst nennen, kommen alle aus bayerischen Flüchtlingsheimen und fordern legale Aufenthaltsgenehmigungen. Sie warten teilweise seit mehr als vier Jahren auf eine Entscheidung über ihre Asylanträge. Das Leben in den Lagern sei menschenunwürdig und der jahrelange Asylprozess mit Arbeitsverbot und Residenzpflicht ein schleichender Tod, sagen sie. „Besser ich sterbe hier als im Lager“, findet etwa der Kongolese Jules-Sawa Akili, einer der Hungerstreiker.

Gesprächsbereitschaft gefordert

Nach dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und dem Berliner Flüchtlingsrat forderten am Freitag auch die Jesuiten eine Gesprächsbereitschaft von Seiten der Politik. Angesichts der dramatischen Situation vor Ort sei es kein Eingeständnis von Schwäche, den Kontakt mit den Asylsuchenden aufzunehmen, sagte der Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Deutschland, Pater Frido Pflüger der Nachrichtenagentur epd.

Der Berliner Landesbischof Markus Dröge hatte nach einem Besuch bei den Flüchtlingen am Donnerstag einen Brief der Evangelischen Kirche an die verantwortlichen Politiker angekündigt.

Dagegen äußerte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) umgekehrt Kritik an den Flüchtlingen. „Aus meiner Sicht sind das keine geeigneten Mittel. Ich finde, es gibt andere Möglichkeiten“, sagte er der Berliner Zeitung. Bis auf einige Bundestags- und Berliner Abgeordneten von Linken und Grünen war bislang kein Politiker bei den Protestlern vor Ort.

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