Flüchtlingstragödie vor Lampedusa: Grenzschutz per Flugzeugträger

Italien will mit einer neuen „humanitären“ Militärmission das Meer sicherer machen. Sein rigides Ausländergesetz bleibt unangestastet.

Nicht ohne Gegenleistung der EU: Italiens Marine soll stärker patroullieren. Bild: dpa

ROM/BERLIN taz | „Sicheres Meer“ heißt die Operation, die Italiens Regierung definitiv am Montagnachmittag verabschieden will. Ministerpräsident Enrico Letta stellte schon am Wochenende klar, dass es sich hierbei um einen „humanitären Militäreinsatz“ handeln soll. Mit einer deutlichen Verstärkung der in der Straße von Sizilien patrouillierenden Schiffe ebenso wie der vor Ort eingesetzten Flugzeuge und Hubschrauber soll eine lückenlose Überwachung des zentralen Mittelmeeres gewährleistet werden.

Bisher schon sind vier Schiffe der Marine vor Ort unterwegs; ihre Zahl soll auf mindestens sechs, womöglich gar auf 15 erhöht werden. Hinzu kommen Flugzeuge, aber wahrscheinlich auch Predator-Aufklärungsdrohnen. Zusätzlich zum bisher eingesetzten Gerät sollen auch zwei Flugzeuge mit Nachtsicht-Technik an Bord das Meer überfliegen. Zudem wird auch der Einsatz des Flugzeugträgers „San Marco“ erwogen.

Die Umsetzung dieser Pläne würde eine Verdreifachung der in der Straße von Sizilien eingesetzten Soldaten von bisher 500 auf mindestens 1.500 bedeuten. Italiens Verkehrsminister Maurizio Lupi erklärte vor diesem Hintergrund, Italien wolle bei der EU erreichen, dass die unweigerlich steigenden Ausgaben keine Anrechnung auf die Defizitziele des Stabilitätspaktes finden, da Italien hier Aufgaben für ganz Europa erledige.

Auch Verteidigungsminister Mario Mauro stellte den geplanten Großeinsatz in einen europäischen Kontext: „Wir wollen Europa klarmachen, dass wir eine Stimme auf diesem Feld haben wollen. Wir wollen uns nicht zurückziehen, sondern im Gegenteil unseren Einsatz verstärken. So können wir von der EU fordern, es uns gleichzutun.“

Rechte verweigert sich dem Wunsch Lettas

Keine Bewegung zeichnet sich dagegen bei der von Regierungschef Enrico Letta angeregten Änderung des rigiden Ausländergesetzes ab. Vor zehn Jahren von der damaligen Regierung Berlusconi verabschiedet und vor allem vom damaligen Führer der fremdenfeindlichen Lega Nord, Umberto Bossi, ausgearbeitet, bietet das Gesetz kaum Möglichkeiten zu legaler Einwanderung, da es die Aufenthaltserlaubnis vom Nachweis eines legalen Arbeitsplatzes abhängig macht. Eine weitere gesetzliche Verschärfung erfolgte 2009, als Italien den Straftatbestand der illegalen Einwanderung einführte.

Doch Italiens Rechte verweigert sich dem Wunsch Lettas und seiner gemäßigt linken Partito Democratico, hier Änderungen vorzunehmen. Angelino Alfano, Vizepremier, Innenminister und zugleich Sekretär der Berlusconi-Partei Popolo della Libertà (PdL), erklärte rundheraus, die vorgeschlagene Gesetzesänderung sei ein „demagogisches“ Ansinnen und werde an den Toten im Mittelmeer gar nichts ändern.

Unterdessen wurden die 150 nach Malta gebrachten Überlebenden des jüngsten Schiffsunglücks von vergangenen Freitag in die Internierungslager Lyster Barracks und Hal Far auf der Insel gebracht. Nach Angaben der maltesischen Regierung müssen sie damit rechnen, dort bis April 2014 in Haft zu bleiben. So lange ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Asylanträge von SyrerInnen auf der Insel. Die übrigen Geretteten kamen in ein geschlossenes Auffanglager auf Lampedusa.

Dort erreichte in der Nacht zum Montag ein Boot mit 137 Menschen an Bord den Hafen. Auch diese Flüchtlinge, darunter 22 Frauen, wurden von der Polizei in das bereits völlig überfüllte Auffanglager gebracht. Medienberichten zufolge handelte es sich um subsaharische Flüchtlinge, die in Libyen aufgebrochen waren.

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