Flughafen-Streit I: Wowereit kennt keinen Schmerz

Abgehoben, arrogant, faktenarm: In der Debatte um die Pannen auf der Flughafenbaustelle hatte der Regierende keine gute Figur abgegeben. Im Parlament musste er nun darüber reden - und gab den Staatsmann.

Trat im Abgeordnetenhaus bei der Debatte um den Flughafen ganz staatsmännisch auf: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Bild: DPA

Das muss man erst mal packen: mehr als eine Stunde Vorwürfe über sich ergehen zu lassen – und cool zu bleiben. Sich als Versager und Politik-Anfänger darstellen zu lassen – und nicht die Haltung zu verlieren. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister und langjähriges SPD-Aushängeschild, hat das in der Parlamentsdebatte um das Flughafen-Debakel geschafft. Er machte dabei nicht den Eindruck, das geschehe nur aus völliger Gleichgültigkeit eines Mannes, der vor dem Rücktritt steht.

Wie würde Wowereit auftreten bei der ersten großen Debatte nach zweieinhalb Monaten Parlamentspause, während der neue Peinlichkeiten durchsickerten: von der wahrscheinlichen erneuten Verschiebung der Einweihung bis zum viel zu klein gebauten Bahnhof Waßmannsdorf? Das war die Frage an diesem Nachmittag. Denn Neues zur Eröffnung oder den zusätzlichen Kosten war nicht zu erwarten und gab es auch nicht. Der 14. September, an dem die nächste Aufsichtsratssitzung ansteht und auf den immer wieder verwiesen wird, hat inzwischen das Format für einen Schicksalstag.

Für einen Mann, der lange unangefochten beliebtester Politiker der Stadt war und nun in der Rangliste auf Platz 10 abgerutscht ist, sitzt Wowereit um 13 Uhr entspannt in seinem Sessel neben Regierungskollegen. Eineinhalb Stunden geht es um anderes als den Flughafen, und es ist kein Wowereit zu erleben, der nervös die Hände reibt, unruhig in Akten blättert oder Ähnliches tut, was Psychologen Übersprungshandlungen nennen.

Immer wieder tauscht er sich mit seinem Nebenmann aus, dreht sich zu ihm hin, deutet auf dies und das, steckt mit ihm die Köpfe zusammen, grinst. Der Nebenmann ist Frank Henkel, der Innensenator und starke Mann der CDU. Solche Bilder gibt es von Beginn der rot-schwarzen Koalition an: Wowereit und Henkel verstehen sich, sind sich sichtlich sympathisch.

Das ist durchaus von Bedeutung für die Frage, ob und wie lange sich Wowereit noch halten kann und ob die SPD nach einem Nachfolger suchen muss. Denn eine Koalition mit den Sozialdemokraten heißt für die CDU erst mal: ein Bündnis mit Klaus Wowereit. Ihn in der SPD abzusägen hieße, das Bündnis mit den Christdemokraten zu gefährden. Das würde zwar vielen in der SPD gefallen, die sowieso lieber mit den Grünen koalieren wollten. Doch die haben schon mal durchblicken lassen, dass sie nicht einfach als Ersatz zur Verfügung stehen. Bei der Alternative Neuwahlen aber müssten in der gegenwärtigen Stimmung viele SPDler um ihr Abgeordnetenmandat fürchten.

Bliebe also die Variante, dass der Regierende selbst sagt: Ich will/kann/mag nicht mehr. Das sieht aber nicht so aus an diesem Nachmittag, an dem Wowereit sich sehr staatsmännisch gibt, zum Ende seiner Rede schier den großen Burgfrieden ausruft, als er alle Fraktionen auf das Wohl Berlins einzuschwören versucht: „Bei aller Kritik und Aufarbeitung sollte uns doch das gemeinsame Ziel einen, den Flughafen zum Erfolg zu führen.“

So spricht keiner, der auf dem Absprung ist. Es wäre auch untypisch für Wowereit, der stets am besten ist, wenn er unter Druck steht. Bei allen gesunkenen Umfragewerten weiß auch die SPD, dass sie die Kirche im Dorf lassen kann: Die nächste Abgeordnetenhauswahl ist in vier Jahren. Bei der vergangenen lag die Partei zehn Monate vor der Wahl weit hinter den Grünen – und gewann doch. Zwar stehen 2013 Bundestagswahlen an. Aber es ließe die SPD auch nicht reizvoller dastehen, wenn sie genau dann ein neues Aushängeschild suchte – und alles andere als sicher sein kann, dass sie es findet. So ist es kein Zufall, dass SPD-Fraktionschef Raed Saleh diese Woche im taz-Interview sagte: „Klaus Wowereit ist und bleibt die Nummer eins der Berliner SPD.“

Was ist mit Demut?

All das weiß natürlich auch Wowereit, als er Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop zuhört. Sich Notizen macht, als sie nur zwei, drei Meter neben ihm am Rednerpult Diverses zu kritisieren hat. Letztlich aber in ähnlicher Weise staatstragend auftritt: „Wir sind alle interessiert am baldigen Start des Flughafens.“ Die Piraten fordern Demut, halten Wowereit seinen vor elf Jahren versprochenen Mentalitätswechsel vor, sagen, er habe als Aufsichtsratschef versagt. Wowereit macht sich noch eine Notiz .

Sein zweiter Zettel ist voll, als er am Rednerpult steht. Dabei gibt es zwar keinen Eröffnungstermin, aber das eine oder andere Überraschende. Da verteidigt er etwa das frühere Aufsichtsratsmitglied Harald Wolf gegen Kritik von der CDU: „Er hat hervorragende Arbeit geleistet“. Und sorgt für Schmunzeleien, als er dazu aufruft, abzuwarten, bis sich der Rauch verzogen hat – die noch nicht fertige Rauchabzugsanlage gilt als Grund für die verschobene Flughafeneröffnung.

Sein Auftritt hinterlässt Eindruck. „Machen Sie irgendwas mit Politik?“, will Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer provozieren, als er nach ihm ans Mikrofon geht. Lacher bleiben aus, die Frage ist zu billig, die Antwort klar: Ja. Und Wowereits Rede lässt kaum Zweifel daran, dass das noch eine Weile so bleiben wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.