Flughafenlektüre-Autorin Ahern: Die Anti-Charlotte-Roche

Sex? Gibts nicht in Cecilia Aherns Büchern. Drogenpartys oder andere Exzesse? Auch nicht. Trotzdem feiert sie mit Romanen wie "P.S. Ich liebe Dich" Welterfolge.

Will fürs Herz schreiben, nicht für den Kopf: Politikertochter Ahern. Bild: dpa

Sie sieht jünger aus als 27. Und wie eine Bestsellerautorin mit Gagen in Millionenhöhe wirkt sie erst recht nicht. Cecelia Ahern, die Dublinerin mit blonden mittellangen Haaren, ist schüchtern und bei Live-Interviews überaus nervös. Sie sei "freundlich und bescheiden geblieben", bestätigen ihre Freunde.

Mit 21 schrieb sie ihren ersten Roman: "P. S. Ich liebe dich". Als sie das Exposé ihrer Agentin Marianne Gunn OConnor vorstellte, war die skeptisch. "Jeder hat eine Geschichte im Kopf, aber nicht jeder sollte sie aufschreiben", sagte sie. Als sie das Manuskript gelesen hatte, war ihre Skepsis verflogen.

Der US-Verlag Hyperion, der zu Disneys Imperium gehört, zahlte eine Million Dollar Vorschuss. Das Buch wurde in 15 Sprachen übersetzt und erschien in 50 Ländern. In den irischen und britischen Bestsellerlisten stand es 17 Wochen lang auf Platz eins, in Deutschland hielt es sich 52 Wochen in der Liste. Warner Brothers erwarb die Filmrechte. Doch der Film, der vor einem Jahr in die Kinos kam, hatte mit dem Buch nicht mehr allzu viel zu tun. Hollywood verlegte den Hauptort der Handlung von Irland nach New York, wofür man in Anbetracht der wenigen irischen Szenen dankbar sein muss. Die Produzenten schreckten vor keinem Irland-Klischee zurück, nicht mal vor Unterhosen mit Kleeblättern, und der irische Akzent des schottischen Hauptdarstellers Gerard Butler klingt so authentisch wie ein Sachse, der plattdeutsch spricht.

Cecelia Ahern verlor dennoch kein schlechtes Wort über den Film. Sie habe die vollen zwei Stunden lang geweint, sagte sie, aber nicht, weil der Streifen so grauenhaft war. Es geht darin um Holly, eine junge Frau, deren toter Ehemann ihr schriftliche Anweisungen hinterlässt, damit sie ihr Leben nach seinem Tod meistert. "Holly macht durch, was ich durchgemacht habe", sagt Ahern. "Sie sitzt da in ihren Pyjamas und fragt sich, was sie nun mit ihrem Leben anfangen soll. So ging es mir auch, als ich mit dem Buch begann. Holly haben die Briefe ihres toten Ehemanns geholfen, und mir hat das Schreiben geholfen."

Nach dem Abitur hatte Ahern Journalismus und Medienwissenschaft am Griffith College in Dublin studiert. Weil die Märtyrerin Cecelia die Schutzheilige der Musiker ist, versuchte es Ahern mit der Pop-Band Shimma, deren einziger Erfolg der dritte Platz bei der irischen Vorentscheidung zum Eurovisionswettbewerb war. Dann begann sie zu schreiben, und zwar täglich von nachts um elf bis morgens um sieben.

Nach ihrem Erstling schrieb sie vier weitere Romane, die sich ebenfalls millionenmal verkauften und weitere Spielfilme nach sich ziehen werden. Ahern ist die erfolgreichste irische Schriftstellerin seit Maeve Binchy, die ebenfalls "Flughafenlektüre", wie sie es nennt, verfasst: Bücher, die man vor einem Langstreckenflug am Flughafen kauft und sie, nachdem man sie unterwegs gelesen hat, am Zielflughafen wegschmeißt.

Ahern baut auf die reiche Tradition der irischen Mythen und Erzählkunst, obwohl ihre Geschichten keineswegs unverwechselbar irisch sind, weshalb sie auch im Ausland solch großen Erfolg hat. Die Geschichten haben alle den gleichen Aufbau: Im Zentrum steht eine junge Frau, die mit Schicksalsschlägen zu kämpfen hat, sie aber durch Beharrlichkeit überwindet. Sex taucht in den Büchern nicht auf, Drogenpartys oder andere Exzesse ebenso wenig, dafür aber schöne Männer mit sanften Augen. Und es gibt immer ein Happy End. Jeder kann, so die Botschaft, auch mit unüberwindbar scheinendem Ungemach fertig werden.

In ihren Büchern kreiert Ahern mit biederer Sprache und naivem Stil fast wie im Märchen eine Welt, die besser und schöner ist als die reale Welt, in der Gier und Intrige gewinnen, wie die globale Finanzkrise wieder gezeigt hat. Das ist wohl auch das Geheimnis ihres Erfolgs. "Wenn man authentisch über menschliche Emotionen schreibt", sagt sie, "kann man jeden Leser berühren, ungeachtet des Alters oder der Kultur." Sie sei eben keine Literatin, sagt Ahern: "Meine Geschichten sind fürs Herz, nicht für den Kopf."

Aber es sind keineswegs nur aufgeblasene Groschenhefte, sondern sie haben auch einen gewissen Humor. Deshalb hat ABC Entertainment sie vor zwei Jahren beauftragt, eine Fernsehserie zu entwickeln. "Auf den ersten Blick erscheint eine Frau, die einen Bestseller über eine 30-jährige Witwe geschrieben hat, keine gute Wahl für eine Komödie", sagt Amy Hartwick, die Vizepräsidentin der ABC-Komödienabteilung, "aber wenn man sich in ihre Romane vertieft, erkennt man, dass Cecelias Protagonisten mit Fehlern behaftet, sehr real und deshalb sehr komisch sind."

Heraus kam die Serie "Samantha Who?" mit Christina Applegate. Sie spielt eine 30-jährige, die nach einem Autounfall neun Tage später aus dem Koma erwacht und nicht mehr weiß, wer sie ist. Nach und nach muss sie Bekannte und Verwandte neu entdecken und herausfinden, dass sie in ihrem früheren Leben eine schreckliche Person war.

Möglicherweise hat Ahern die Fabulierkunst von ihrem Vater. Bertie Ahern war elf Jahre lang Irlands Premierminister, musste aber im Frühjahr wegen undurchsichtiger Finanzgeschäfte, bei denen er offenbar auch Cecelias Konto und das ihrer Schwester Georgina benutzt hatte, zurücktreten. Wird sie ihm helfen, wenn er wie die meisten Politiker nach Ende der Karriere seine Memoiren verfassen will? "Ich schreibe nur Romanliteratur", sagt sie. Bertie Aherns Kritiker sehen darin keinen Widerspruch.

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