Förderung von Wärmenetzen: 202 Tage Bearbeitungszeit
Die Bearbeitung von Anträgen auf Förderung für Wärmenetze dauert lange und der Bau verzögert sich – das bremst die Wärmewende. Dabei ginge es anders.
Das Bundeswirtschaftsministerium selbst räumt auf Anfrage ein, dass die Bearbeitungszeit von Förderanträgen im Zuge des BEW, also der Bündnisförderung für effiziente Wärmenetze, sehr lang sei und begründet dies mit den „sehr komplexen Verfahren“.
In der Praxis hilft dieses Eingeständnis freilich wenig, wie ein Beispiel von vielen zeigt: In Dingelsdorf und Wallhausen am Bodensee soll ein Wärmenetz mit rund 370 Hausanschlüssen entstehen. Bereits im Januar habe man einen Förderantrag im Rahmen des BEW eingereicht, so das projektierende Unternehmen Solarcomplex, doch erst im Juli habe es dann die Rückmeldung gegeben, man prüfe die eingegangenen Unterlagen gerade auf Vollständigkeit. Bis heute, so die Projektierer, stehe der Bescheid aus.
Das große Problem dabei: Solange der Förderbescheid nicht da ist, darf der Bauherr keine Aufträge vergeben. „Unsere Wärmekunden werden zunehmend nervös“, sagt Bene Müller, Vorstandsmitglied von Solarcomplex. Wenn nicht bald zumindest ein Spatenstich ein Signal des Aufbruchs gebe, könnten erste Hauseigentümer von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen, fürchtet er. In einem anderen Fall habe man nach der Fertigstellung eines Wärmenetzes mehr als ein Jahr auf die Auszahlung der zugesagten Förderung gewartet, wodurch 200.000 Euro für Zinszahlungen für die Zwischenfinanzierung angefallen seien.
Das Problem kennen andere Akteure ebenso. „In den Förderanträgen beim Bafa muss ich Projektrisiken angeben – doch das größte Projektrisiko ist das Bafa selbst“, sagt Projektentwickler und Wärmenetzbetreiber Christian Schwarz von der Firma CDE Systems in Markt Nordheim in Mittelfranken. Das Bafa ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das für die Bewilligung der Fördergelder zuständig ist.
Christian Schwarz, CDE Systems
Schwarz baut kleine Wärmenetze, oft für 60 bis 140 Hausanschlüsse. Bei seinen letzten Projekten habe er jedes Mal lange auf die Bewilligung gewartet, „oft bis zu neun Monate“. Das könne kritisch werden: „Wenn der Bescheid dann kommt, gilt kein Angebot der Baufirmen mehr und die Zinskonditionen haben sich auch geändert.“ Geplatzt sei zwar noch keines seiner Projekte, sagt Schwarz, aber einmal habe er erst im letzten Moment, kurz bevor er die Investition absagen wollte, den Förderbescheid bekommen – und auch erst, nachdem er Bundestagsabgeordnete als Vermittler eingeschaltet habe.
Keine Einzelfälle
Das sind keine Einzelfälle; ähnliche Probleme kennt jeder, der sich in der Praxis mit Wärmenetzen beschäftigt. Matthias Neumeier, Leiter des Bereichs Wärmewende bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg, hat einen guten Überblick über die Szene und sagt: „Die Förderung im Rahmen des BEW ist hoch, die Unsicherheit aber auch.“
Inzwischen spiegeln auch offizielle Zahlen die Dringlichkeit von Abhilfe wider. Wie das Bafa im Oktober offenlegte, betrug die mittlere Bearbeitungszeit von Anträgen auf Investitionsförderung für Wärmenetze zuletzt 202 Tage. Auf Anfrage begründet die Behörde diese Zeiträume mit der gleichen Formulierung, die alle Akteure in diesem Metier wählen: mit den „sehr komplexen Verfahren“. Hinzu komme, dass „derzeit eine hohe Anzahl von Förderanträgen“ eingehe.
Unterdessen klingen die Konsequenzen, die das Wirtschaftsministerium aus den langen Verzögerungen ziehen will, hilflos: Man arbeite daran, „die Verfahren so effizient wie möglich zu gestalten und durch organisatorische Maßnahmen zu unterstützen, um eine möglichst reibungslose Umsetzung zu ermöglichen“. Das Bafa konkretisiert immerhin etwas: Durch Personalaufstockung sowie die Einbindung von Ingenieurbüros wolle man Abhilfe schaffen, denn man wisse „um die Dringlichkeit und die Herausforderungen, mit denen die Antragsteller konfrontiert sind“.
Es gibt eine alternative Förderpolitik
Allerdings könnte die Förderung auch grundsätzlich anders vonstattengehen. Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und Kraft-Wärme-Kopplung (AGFW) wünscht sich eine Förderpolitik, die angelehnt ist an das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG). In diesem sind nämlich klare Anforderungen definiert, anhand derer der Investor selbst prüfen kann, ob alles passt. Er kann sofort mit seinem Projekt loslegen, die Förderung wird nachgelagert ausgezahlt, sobald alles korrekt umgesetzt ist. So wird kein Projekt durch das Warten auf den Förderbescheid ausgebremst.
Zudem habe das Modell des KWKG den Vorteil, dass die Förderung nicht – wie beim BEW – vom Bundeshaushalt abhängig, sondern umlagefinanziert ist, erklärt Jens Kühne, Bereichsleiter Erzeugung, Sektorkopplung und Speicher beim AGFW. Doch eine dahingehende Änderung des BEW ist nicht absehbar; die Finanzierung über Haushaltsmittel, was ein Förderprogramm immer zum politischen Spielball macht, soll fortbestehen: Im Haushaltsjahr 2026 werde das BEW über das „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz“ finanziert, heißt es im Ministerium.
Dass eine Ökologisierung der Wärmeversorgung ohne hohe Fördergelder kaum machbar ist, davon gehen die meisten Branchenakteure aus, wie jüngst eine Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ergab: Eine knappe Mehrheit der kommunalen Energieversorger erwartet, dass unter den geltenden Rahmenbedingungen „eine bezahlbare Wärmeversorgung für Wirtschaft und Bürger langfristig nicht gesichert“ ist. 72 Prozent der Unternehmen sprechen sich daher für eine weitere Erhöhung der Fördermittel aus – was aber natürlich nur helfen kann, wenn Förderzusage und Geld in vertretbarer Zeit bei den Investoren ankommen.
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