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Folgen für die KlimaneutralitätFossile Druckbetankung

Die dreifache Menge an dreckiger Energie muss Europa in den USA kaufen. So steht es im Zollabkommen. Aber wie soll das funktionieren?

Hier soll ganz viel Gas aus den USA ankommen: LNG-Terminal Wilhelmshaven Foto: Stefan Rampfel/dpa

Weniger fossile Energie, nicht mehr – das ist seit Langem die Ansage der Europäischen Union und auch der Bundesregierung. Ohne diese Voraussetzung gibt es ja keine Klimaneutralität, die hierzulande schon in 20 Jahren erreicht sein soll. Da löst das Zollabkommen zwischen den USA und der EU – vorsichtig gesagt – Erstaunen aus. Denn ein Teil der Vereinbarung von Ende Juli besagt, dass Europa riesige Mengen fossiler Energie aus Nordamerika importieren soll.

Das wirft Fragen auf: Wie will die Europäische Kommission die privaten Energiefirmen davon überzeugen, so viel auf der anderen Seite des Atlantiks einzukaufen? Und was wären die Folgen für das Ziel der Klimaneutralität?

Zuerst versprach EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen US-Präsident ­Donald Trump in die Hand, Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar abzunehmen (momentan etwa 640 Milliarden Euro). Dann tauchte diese bis Ende 2028 umzusetzende Vereinbarung auch in der schriftlichen Version des Abkommens auf.

Es geht um jeweils 250 Milliarden US-Dollar 2026, 2027 und 2028. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr bezogen die EU-Staaten Erdöl, Gas, Kohle und Uran im Wert von etwa 80 Milliarden Dollar aus den USA. Es geht also um eine Verdreifachung.

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Weil der europäische Energieverbrauch in den kommenden paar Jahren aber keinesfalls so stark steigen wird, ließe sich dieses Ziel nur erreichen, wenn der US-Anteil an allen fossilen EU-Importen stark zunähme – und zwar von ungefähr 25 Prozent jährlich auf etwa 60 bis 65 Prozent. Wobei sich das nicht genau sagen lässt, weil der Kurs des Dollars schwankt.

Fast 17 Prozent des Erdgases kommen aus Russland

Klar ist trotzdem, dass die gewaltige Zunahme überhaupt nur funktionieren kann, wenn die US-Lieferungen Importe aus anderen Quellen verdrängen. Sie könnten zum Beispiel alle russischen Lieferungen ersetzen, die es noch gibt. Im vergangenen Jahr bezogen europäische Energieunternehmen noch fast 17 Prozent ihrer Erdgasimporte von der aggressiven Macht im Osten.

Damit Schluss zu machen, wäre wirtschaftlich und politisch sinnvoll. Es würde aber nicht reichen. Auch die Lieferungen beispielsweise aus Katar, Nigeria und Algerien müssten stark reduziert werden.

Die EU-Kommission betont, ein solcher Prozess sei möglich – und verweist auf die Entwicklung der Importe von LNG, also Flüssiggas, seit 2021. Damals standen US-Firmen für 28 Prozent der entsprechenden EU-Einfuhren, 2024 waren es schon 45 Prozent, auf Kosten der genannten Länder.

Wenngleich eindrucksvoll, ist das dennoch meilenweit von einer Verdreifachung aller US-Importe fossiler Energie entfernt. „Eine derartig massive Umschichtung in den Bezugsquellen ist nicht plausibel“, sagt Energieexperte Hans-Wilhelm Schiffer. Ein Argument für seine These: Die Energiehändler haben viele Verträge für die kommenden Jahre längst geschlossen und würden sie jetzt nicht wegen des USA-EU-Abkommens über den Haufen werfen.

Davon abgesehen stellt sich aber die Frage, was die EU-Kommission ihrerseits tun könnte, um die Vereinbarung zu erfüllen. Denn nicht sie kauft die Energie, sondern private Firmen. Ein wichtiges Instrument sei bereits vorhanden, erklärt die Kommission. Die nach Russlands Angriff auf die Ukraine 2022 gegründete Vermittlungsplattform AggregateEU bringt Anbieter und Nachfrager zusammen.

Das war bisher ein Beitrag, um russische Energielieferungen zu ersetzen. Die Plattform fasst sowohl angebotene als auch nachgefragte Mengen zusammen und ermöglicht damit größere Lieferverträge, sodass kleinere wie große Unternehmen zu guten Kondi­tio­nen kaufen können. Laut Kommission ließe sich das Verfahren im Hinblick auf die USA ausbauen.

Bürgschaften und Langfristverträge

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) steht ausufernden Fossilgeschäften zwar kritisch gegenüber, doch sie beschreibt einen weiteren Weg: „Die EU könnte den Abschluss langfristiger Kaufverträge europäischer Firmen für US-Energie erleichtern“, indem zum Beispiel „die Europäische Investi­tions­bank finanzielle Garantien und Absicherungen“ gewähre.

„Es braucht Bürgschaften für Langfristverträge“, sagt dazu Timm Kehler, Vorstand des Verbands Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft e. V. Eine solche Förderung bezeichnet er als „investitionsfreundliches regulatorisches Umfeld“. Garantien, Absicherungen, Bürgschaften – diese Begriffe bedeuten, dass die EU bereit wäre, privaten Unternehmen irgendwann Geld dafür zahlen, mehr fossilen Treibstoff aus den USA abzunehmen.

Die grüne Europaparlamentarierin Anna Cavazzini betont einerseits: „Die EU hat wenig Möglichkeiten, die Importe fossiler Energie aus den USA zu befördern.“ Andererseits warnt sie davor, dass eine Variante darin bestünde, „die Methanverordnung zu ändern“.

Laut dieser Regulierung müssen Energieimporteure kontrollieren, wie viel klimaschädliches Methan beispielsweise bei Produktion und Transport von Erdgas entweicht. Auch Geldbußen sind vorgesehen. Die könnte man US-Importeuren erlassen, was Lieferungen erleichtern würde.

Das alles sind Maßnahmen, bei denen die EU den Rahmen setzen und die Unternehmen sachte lenken würde. Zur Not erscheinen aber auch härtere Eingriffe möglich. Gesehen hat man das nach dem russischen Angriff 2022. Da wies die Bundesregierung ­Trading Hub ­Europe, den Verband der Gasnetzbetreiber, an, ohne Rücksicht auf die Kosten die unterirdischen Gasspeicher zu füllen. Warum soll so etwas nicht auf EU-Ebene denkbar sein, um genug US-Energie abzunehmen und die Zollvereinbarung mit Trump umzusetzen?

Und die langfristigen Folgen? Die EU-Kommission betont, das Abkommen stehe der Energiewende und der Klimaneutralität 2050 nicht entgegen. DIW-­Wissenschaftlerin Kemfert widerspricht: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird behindert.“ Denn wenn riesige, zusätzliche Mengen fossiler ­Energie in den Markt gedrückt werden müssen, könnte es zum Beispiel naheliegen, die Bedingungen für Anbieter von Ökostrom politisch zu ver­schlechtern.

Der Wirtschaftsprofessor Guntram Wolff bleibt dennoch entspannt. „In der Praxis glaube ich nicht, dass es eine ernsthafte Strategie gibt, in diesem ­Umfang spezifisch aus den USA zu kaufen“, sagt Wolff. „Mir scheint die Strategie zu sein, dem US-Präsidenten etwas zu versprechen, diese Versprechen aber nur sehr begrenzt zu halten.“

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