Folgen nach Stadtbild-Debatte: Strafanzeige wegen Volksverhetzung
Nach den „Stadtbild“-Äußerungen des Bundeskanzlers protestierten bundesweit viele Menschen auf der Straße. Nun folgen auch Strafanzeigen gegen Merz.
Auch an diesem Wochenende haben wieder tausende Menschen in Deutschland gegen die „Stadtbild“-Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) protestiert. Unter anderem in Hamburg, Potsdam, Berlin, Essen, Bonn oder Münster wurde gegen Rassismus und Spaltung der Gesellschaft demonstriert. Auch im Wohnort des Kanzlers, dem sauerländischen Arnsberg, gingen am Samstag rund 150 Menschen auf die Straße.
Neben diesen Unmutsbekundungen muss sich der CDU-Chef nun auch auf mögliche juristischen Konsequenzen einstellen. Die Kreisverbände der Linkspartei aus Bochum und Essen haben sich einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin wegen Volksverhetzung gegen Merz (CDU) angeschlossen. Eine Juristin aus Berlin hatte zuvor Strafanzeige gestellt und dazu aufgerufen, möglichst viele Strafanzeigen mit dem selben Wortlaut bei der Staatsanwaltschaft eintreffen zu lassen.
„Wir haben diese Anzeige nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch gestellt, weil rassistische Hetze nicht einfach hingenommen werden darf“, begründet der Kreissprecher der Essener Linken Tobias Umbreit gegenüber der taz den Schritt. Wenn ein Bundeskanzler Menschen mit Migrationsgeschichte öffentlich als ‚Problem im Stadtbild‘ bezeichne, sei das keine politische Meinung mehr, sondern eine gefährliche Grenzüberschreitung, so Umbreit: „Solche Worte spalten unsere Gesellschaft, machen Menschen Angst und bereiten den Boden für Gewalt“. Das dürfe in Deutschland nie wieder normal werden.
In der Strafanzeige, die der taz vorliegt, heißt es wörtlich: „Politisch erfahrene Sprecher müssen mit einschlägigen Wirkungen öffentlicher Schlagworte rechnen“. Mit seiner Aussage nehme Merz billigend in Kauf, dass Migration mit Angst und Kriminalität konnotiert werde, was nicht der Wahrheit entspreche. Die Strafanzeige sei deshalb ein notwendiger Schritt, um Friedrich Merz zur Verantwortung zu ziehen. Schließlich seien Merz’ menschenverachtenden Äußerungen kein Ausrutscher, sondern der „vorläufige Höhepunkt einer langen Reihe rassistischer Ausfälle“, so Tobias Umbreit.
CDU-Chef Merz hatte wiederholt davon gesprochen, dass „migrantische Menschen ein Problem im Stadtbild“ seien, und forderte auch in der vergangenen Woche erneut verstärkte Abschiebungen. Seine Wortwahl wurde zum Teil heftig kritisiert – auch bei seinem Koalitionspartner SPD und teils selbst aus den eigenen Reihen. Zuvor hatte Merz immer wieder mit ähnlich abwertenden Formulierungen irritiert, etwa als er sich über „kleine Paschas“ in Berlin ausließ oder behauptete, Flüchtlinge würden Zahnarzttermine blockieren.
Vermutlich keine Aussicht auf Erfolg
Aus Sicht der Linken in Bochum und Essen hat Merz den Bogen mit seinen jüngsten Entgleisungen überspannt: „Nach juristischer Prüfung sind wir der Auffassung, dass der Bundeskanzler nun endgültig den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.“
Der Linken in Essen und Bochum wird bewusst sein, dass die Strafanzeige kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Dennoch halten sie die rechtlichen Schritte für ein wichtiges Signal: „Die Normalisierung von Rassismus aus dem Kanzleramt muss gestoppt werden und wir fordern Konsequenzen für eine Rhetorik, die in der Vergangenheit das sofortige Ende jeder politischen Karriere bedeutet hätte“, so der Linkenpolitiker Tobias Umbreit. Menschen mit Migrationsgeschichte seien kein Problem, sondern sie seien „Teil unserer Stadt, Teil unseres Lebens, Teil unseres Miteinanders“.
Offenbar scheinen das aber nicht alle so kritisch zu sehen. Wie das ZDF berichtete, stimmen 60 Prozent der deutschen Bundesbürger den provokativen Aussagen von Merz zum Stadtbild zu, vor allem die Älteren stoßen sich offenbar nicht an den Formulierungen des Kanzlers. Für das „Politbarometer“ wurden 1.300 Menschen befragt. An der Umfrage gab es allerdings auch Kritik. So sei bei der Fragestellung nicht scharf genug differenziert worden.
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