Forderungen vor dem Stahlgipfel: 200 Milliarden Euro, Schutzzölle oder mehr EU-Patriotismus?
Am Donnerstag lädt Kanzler Merz zum Stahlgipfel. Während der CDU-Generalsekretär Schutzzölle will, schlägt die Linke ein Investitionsprogramm vor.
Vor dem Stahlgipfel kommenden Donnerstag im Kanzleramt hat Linken-Chefin Ines Schwerdtner eine Strategie für den Umbau der Stahlbranche und die wirksame Senkung der Energiekosten angemahnt. „Dafür muss ein Investitionsprogramm in Höhe von 200 Milliarden Euro her, das über einen Fonds auch der Stahlindustrie zur Verfügung gestellt wird“, sagte Schwerdtner der taz. Dabei sei klar: „Wer öffentliche Fördermittel erhält, muss garantieren, dass alle Arbeitsplätze und Standorte erhalten bleiben.“ Der Preis allein dürfe nicht das entscheidende Kriterium sein, weil hier sonst bald kein Stahl mehr produziert wird. „Wir dürfen die Zukunft der Industrie nicht dem freien Markt überlassen“, so Schwerdtner.
Zuvor wurde insbesondere die Forderung nach Schutzzöllen erhoben. Diese hatte die EU-Kommission Anfang Oktober ins Spiel gebracht. Man müsse jetzt dafür sorgen, dass in Deutschland produzierter Stahl „eine Chance“ habe, forderte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) am Sonntagabend in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin. „Sie hat völlig Recht“, pflichtete ihr CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei. Chinesische Konkurrenten produzierten dieselben Güter und „besetzen den europäischen, den deutschen Markt, gehen 50 Prozent unter Marktpreis, machen unsere Firmen kaputt“. Auch die Gewerkschaft IG Metall befürwortet Schutzmaßnahmen.
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht eine Verringerung des zollfreien Importkontingentes um 47 Prozent auf 18,3 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr vor. Danach will die Kommission einen Zoll von 50 Prozent erheben. Zuspruch erhielt Brüssel dafür von der Wirtschaftsvereinigung Stahl. „So wird die europäische Stahlproduktion geschützt, ohne die verarbeitende Industrie unverhältnismäßig zu belasten“, kommentierte der Präsident des Branchenverbandes, Gunnar Groebler, den Vorschlag aus Brüssel. Seiner Organisation zufolge brach die Rohstahlproduktion in den ersten sieben Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,1 Prozent ein. Sinnbild dieser Krise ist die Stahlsparte von Thyssenkrupp. Der Mutterkonzern tauschte dort am Freitag zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres die Führung aus und verhandelt derzeit mit dem indischen Jindal-Konzern über den Verkauf der Sparte.
Klingbeil für mehr EU-Patriotismus
Einen ganz eigenen Vorschlag machte indes Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil zur Stützung der Stahlbranche: einen Stopp von Stahlimporten aus Russland und „mehr europäischen Patriotismus“. Allerdings dürfte das angesichts der geringen Importmengen von Stahl und Eisen aus Russland nur eine begrenzte Wirkung haben. „Ein Importverbot für russischen Stahl wäre angesichts von Putins Angriffskrieg gerechtfertigt, doch wenn Klingbeil jetzt so tut, als könnte das die deutsche Stahlindustrie retten, dann führt er die Menschen hinters Licht. Stahl-Importe aus Russland spielen doch kaum eine Rolle und belaufen sich auf nicht einmal 69 Millionen Euro“, erklärte dazu Linken-Chefin Schwerdtner.
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