Forschung zu Biomining: Bakterien im Bergwerk

Im sächsischen Freiberg suchen Forscher nach Mikroorganismen. Sie hoffen, damit wertvolle Metalle aus Erzen herauslösen zu können.

Die TU Freiberg besitzt als einzige Universität ein eigenes Bergwerk. Bild: dpa

FREIBERG taz | Ein Berg voller spätgotischer Häuser, ein Dom, ein Marktplatz – im sächsischen Städtchen Freiberg blitzt überall das Mittelalter. Im 12. Jahrhundert war es so groß wie das benachbarte Leipzig. Der Bergbau hat es reich gemacht, bis 1969 wurden hier Zink und Blei abgebaut.

Heute hängen an frisch getünchten Gebäuden Plaketten, die von seiner stolzen Geschichte erzählen. Erinnert wird an Professoren wie den „Nestor der Ingenieurökonomie“ Günther Hollweg (der die Bergakademie Freiberg Anfang der 1960er Jahre allerdings auf strammen „Ostkurs“ brachte) oder an Adolf Ledebur, der Ende des 19. Jahrhunderts die Eisenverarbeitung modernisierte.

Beide waren Lehrer an der Bergakademie Freiberg. Die 1765 gegründete Montan-Universität ist eine der ältesten der Welt und hat noch immer ihren Platz im Herzen der Stadt – auch wenn sich der Bergbau aus Deutschland größtenteils verabschiedet hat. Zwar gibt es noch Erzlagerstätten, doch zu Weltmarktpreisen lassen sie sich schon lange nicht mehr gewinnen. Allenfalls der Kohlebergbau hat überlebt.

Besuchern erscheint das fast 900 Jahre alte Städtchen wie ein riesiges Bergbaumuseum. Auf seiner höchsten Erhebung lässt sich genau das besichtigen, in dem Bergwerk „Reiche Zeche“, in dem noch immer Zink, Silber, Kupfer, Kobalt, Nickel, Indium und Germanium liegen.

Suche nach wertvollen Vorkommen

Ein Förderverein organisiert Grubenfahrten für Besucher und wirbt in Flyern mit „untertägigen Veranstaltungsräumen für Festlichkeiten“. Zudem dient der Schacht als Lehrbergwerk, Institute der Universität haben sich angesiedelt.

Vor dem Eingangsgebäude, hinter dem der Förderturm aufragt, drapieren sich ausgediente Kippförderwagen und Muldenkipper, das Gebäudeensemble der Zeche umfasst Fachwerk bis Sichtbeton, und dahinter blüht gelb ein Rapsfeld.

Für Michael Schlömann von der Bergakademie ist die große Bergbautradition Freibergs aber mehr als Folklore. „Die Nachfrage nach Metallen steigt weltweit an“, sagt der Professor für Mikrobiologie, „doch die Lagerstätten werden immer schwerer zugänglich und ihre Erzkonzentrationen geringer“.

In Zukunft müssten also auch Vorkommen ausgebeutet werden, die bisher nicht beachtet worden wären. Dazu gehören Schlackenhalden, aber auch Halden, die relativ arme Erze oder früher nicht beachtete Begleitelemente enthalten. „Entweder es wird viel teurer, oder wir brauchen neue Techniken“, sagt Schlömann. Biomining, heißt das Stichwort.

Gleich zwei Forschungseinrichtungen befassen sich vor Ort mit der Methode, mit Mikroorganismen Bergbau zu betreiben. Seit einigen Wochen arbeiten unter Schlömanns Leitung 13 Professoren verschiedenster Fachrichtungen – Bergbauingenieure, Biologen, Chemiker, Geologen, Verfahrenstechniker, Metallurgen – und ebenso viele Doktoranden an einem Forschungskolleg der Bergakademie, das die private Krüger-Stiftung mit rund 6 Millionen Euro finanziert.

Bakterien – die fleißigen Helfer

Am Freiberger Biohydrometallurgischen Zentrum für strategische Elemente untersuchen sie Wege, Germanium und Indium mittels Bakterien zu gewinnen. Die beiden Metalle sind begehrt in der Kommunikationstechnologie und liegen in verschiedenen Erzen meist in sehr geringen Konzentrationen vor.

Am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, einer außeruniversitären Forschungseinrichtung, forscht die Biotechnologin Katrin Pollmann an einem ähnlichen Projekt. Sie sucht mit ihrem zehnköpfigen Team nach geeigneten Bakterien, mit denen sich die Kupfervorkommen in der sächsisch-brandenburgischen Lausitz erschließen ließen.

Mit konventionellen Methoden wird daraus Kupfer gewonnen, indem das Gestein aus der Mine gebrochen und als Brocken ans Tageslicht befördert wird; sie werden zerkleinert, gemahlen und schließlich erhitzt, um das Metall herauszulösen.

Übrig bleibt immer noch erzhaltige Schlacke, die auf hügelgroßen Halden gelagert oder als minderwertiges Baumaterial, etwa im Straßenbau, eingesetzt wird. Zu ineffizient und energieaufwendig sei das, urteilt Pollmann. Denn in dem schwarzen, goldgetupften Gestein – dem Kupferschiefer – kommt das Erz fein verteilt vor, um geringe Mengen Metall zu erhalten, müssten große Mengen Gestein fein gemahlen werden.

Statt – mittels mechanischer Einwirkung und Hitze – große Mengen Energie zu verwenden, um an die Metalle heranzukommen, möchte sie Mikroorganismen auf erzhaltige Gesteinsbrocken ansetzen. Doch auch herkömmlichen biotechnologischen Methoden widersetzt sich der Kupferschiefer.

Anders als die weltweit am häufigsten vorkommenden Kupfer-Porphyries ist er für Bakterien nur schwer verdaulich. Darum gilt es zunächst herauszufinden, welche Bakterien oder Pilze überhaupt geeignet sind, die kohlenstoffreichen heimatlichen Kupfererze abzubauen, unter mindestens 100 Stämmen muss das Team um Pollmann suchen.

Das gestaltet sich am Biohydrometallurgischen Zentrum Schlömanns einfacher: Dort wird mit „Standard-Bakterien“ wie etwa Acidithiobacillus ferrooxidans gearbeitet. In saurer Umgebung und unter Zugabe von Kohlendioxid nutzen sie Metallionen zur Energiegewinnung und lösen sie dazu aus dem Gestein heraus.

Diese Vorgänge sollen entweder auf unten abgedichteten Halden oder in Bioreaktoren stattfinden. Millionen Bakterien tummeln sich allein in einem Milliliter Flüssigkeit. Welche Bakterienstämme am ehesten geeignet sind, in welcher Korngröße sie die Erze am besten aufschließen können, sind knifflige Fragen für Biologen.

Wie Metalle herausgeholt werden

Ergebnis der Arbeit der Mikroorganismen ist eine Lösung, in der sich je nach Ausgangserz alle möglichen Metalle wie Zink, Kupfer, Zinn und Eisen, aber auch Aluminium und Spuren von Indium und Germanium sowie von Schwermetallen wie Cadmium und Blei befinden.

Hier wird es spannend für die Chemiker: Sie müssen herausfinden, wie sie die Metalle möglichst getrennt voneinander aus der Flüssigkeit herausholen können. „Im besten Fall entsteht dabei kein Abfall“, sagt der am Projekt beteiligte Chemieprofessor Martin Bertau. „Alle enthaltenen Metalle werden getrennt, die Bakteriensuspension wird im geschlossenen Kreislauf geführt und wieder verwertet.“

Säure, Schwermetalle – Bergbau mit Mikroben ist nicht per se umweltfreundlich. Das zeigt die Mine Talvivaara in Finnland. Auf über 60 Quadratkilometern Fläche werden hier Nickel, Zink, Kobalt und Kupfer abgebaut, zum Teil per Biomining. Rund 24 Millionen Tonnen erzhaltiges Gestein werden jährlich zu großen Halden aufgetürmt und mit Bakterienkulturen behandelt.

Regelmäßig gerät das Unternehmen in die Schlagzeilen, weil es das Wasser zwar in geschlossenen Systemen halten will, ihm das laut Juha Aromaa von Greenpeace Finnland aber nicht gelingt. Die Halden seien zu groß, und im regen- und schneereichen Klima Finnlands die Wassermassen offenbar nicht kontrollierbar. „Inzwischen ist das gesamte Minengelände mit nickel- und schwermetallhaltigem Wasser verseucht“, sagt Aromaa.

Diese Prozesse seien in den Griff zu bekommen, glauben die Freiberger Wissenschaftler. „Die Methode wird zwar schon eingesetzt“, sagt Schlömann, „aber sie ist noch nicht gut genug.“ 8 bis 20 Prozent des Kupfers wird weltweit mittels Biomining gewonnen. Man habe das zwar bis in die 80er Jahre erforscht, „seitdem hat es aber weltweit keine großen Fortschritte mehr gegeben“, sagt Pollmann.

Weil der Bergbau so kapitalintensiv sei, sei er nicht gerade innovationsfreundlich. „Funktioniert eine Methode einigermaßen“, so die Biologin, „bleibt man dabei.“ Neue Techniken hätten es dementsprechend schwer. In den letzten Jahren habe man aber enorme Fortschritte in der Genom- und Biodiversitätsforschung gemacht, die Erkenntnisse über Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien, etwa über Kultivierungsmethoden oder Stoffwechselprozesse, nutzten nun auch den Bergbauprojekten.

Um die dabei zwangsläufig entstehenden säure- und schwermetallhaltigen Abwässer beherrschen und letztlich reine Metalle gewinnen zu können, sind in die Projekte von Anfang an Bergbauingenieure, Metallurgen und Verfahrenstechniker eingebunden. Ein besonderer Entwicklungsstrang des Forschungsprojekts am Biohydrometallurgischen Zentrum ist die Einbeziehung des Forschungs- und Lehrbergwerks.

Suche nach der Lösung im Berg

Hier sollen Ingenieure Wege entwickeln, die Mikroorganismen direkt im Berg einzusetzen. Die herausgelösten Gesteinsbrocken müssten dann nicht mehr aus der Mine herausgebracht werden, das Metall würde herausgeschwemmt. „Sanften Bergbau“ nennen das die Freiberger Forscher. Aufgrund der besonderen ökologischen Herausforderung – die Beherrschung der Lösungen im Berg – sei der aber noch Zukunftsmusik, erklärt Schlömann.

Ihn fasziniert an dem Projekt, dass er darin anwendungsorientierte Forschung betreiben kann, in der er aber immer wieder auf grundlegende Probleme trifft. „Die Laugungsprozesse sind so komplex“, beschreibt er das, dass sie wissenschaftlich noch hinreichend unverstanden – und damit interessant – seien. „Außerdem finde ich den Ansatz richtig“, sagt der Professor, „dass eine Universität die regionale Entwicklung fördert.“

Den Bergbau im Erzgebirge zu befördern, war einst die Begründung für die Bergakademie Freiberg. Von 50.000 auf 40.000 ist die Einwohnerzahl des Städtchens seit der Wende 1989 zurückgegangen. Für ein Museumsdorf ist das immer noch viel.

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