Forschungsstandort Deutschland: Fixiert auf Technik
Rollback für die deutsche Innovationspolitik. Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Wissenschaftspolitik ist zurückgedrängt.

Im Bundesforschungsministerium von CSU-Ministerin Dorothee Bär gibt es jetzt eine Art digitaler Leitwarte, mit der sich die aktuellen Entwicklungen in der deutschen Wissenschaft in Echtzeit verfolgen lassen. „360-Grad Hightech-Monitoring“ nennt sich das Tool, das ein zentraler Bestandteil der neuen „Hightech-Agenda“ ist, die in der kommenden Woche vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll.
„Wir führen darin existierende Datensätze zusammen und schaffen somit einen einheitlichen und einfachen Zugang zu allen relevanten Informationen des deutschen Forschungs-, Technologie- und Innovationsstandorts im internationalen Vergleich“, wird das „digitale Dashboard“ beschrieben.
Das KI-Gimmick ist auch ein passendes Symbol für den Rollback, der für die deutsche Innovationspolitik auf Bundesebene gerade eingeläutet wird. War noch die „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ der Ampelkoalition darauf ausgerichtet, große gesellschaftliche Herausforderungen über wissenschaftliche „Missionen“ zu bewältigen, so schlägt die neue Agenda einen rein Technologie-fixierten Weg ein. Sechs Schlüsseltechnologien, darunter künstliche Intelligenz (KI) und Quantentechnologie, sollen in Deutschland so gepusht werden, dass die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit einen ordentlichen Sprung nach vorn macht.
„Mit einer KI-Offensive wollen wir bis 2030 zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung KI-basiert erwirtschaften“, wird als ein Ziel angegeben. Ordentlich Geld – nämlich 5,5 Milliarden Euro – ist dafür im Sondervermögen Infrastruktur für diese Legislaturperiode vorhanden. Die Technologie-Zentriertheit und -Gläubigkeit erinnert an die frühen 70er Jahre, als die SPD das Bundesforschungsministerium übernahm und darin einen wirkungsvollen Hebel zur Modernisierung Deutschlands sah.
Die Fortschritte der letzten Jahre, als etwa die zivilgesellschaftliche Plattform „Forschungswende“ für eine stärkere Beteiligung der Gesellschaft an der Wissenschaftspolitik stritt, sind perdu. In der neuen Hightech-Agenda, die ganz nach bayerischen CSU-Vorbild gestrickt ist, kommen gesellschaftliche Themen nur am Rande vor. „Es geht darum, die Dynamik der Mensch-Maschine-Interaktion besser zu erfassen“, heißt es in der Agenda.
Die digitale Transformation der Geistes- und Sozialwissenschaften hat Fahrt aufgenommen. „In der ganzen disziplinären Breite der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften werden inzwischen mit computergestützten Verfahren neue Methoden und Forschungsfragen vorangetrieben“, wird konstatiert. Immerhin ist ab 2026 auch der Aufbau einer „Dateninfrastruktur zur Extremismusbekämpfung“ geplant.
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