Fotowanderung durch die Republik: Bitte mehr Tiefenschärfe

Der Fotograf Andreas Teichmann wandert einmal quer durch meinland. Bis zu den Bundestagswahlen dokumentiert er die Republik.

Zu Beginn der Reise porträtierte Teichmann das westdeutsche Kohleland Bild: Bernd Müllender

von TORBEN BECKER

Die Fußblasen vergehen sobald die Füße eingelaufen sind, berichtet Andreas Teichmann. Dann läuft es sich gleich unbeschwerter. Der siebenundvierzigjährige Fotojournalist wandert von Aachen nach Zittau – rund 900 km. Sein Ziel: Deutschland in Zeiten des Wahlkampfes 50 Tage zu begleiten und dokumentieren, wie und was die Menschen denken, wünschen und wofür sie kämpfen. Er möchte Deutschland erleben.

Luxusgüter haben in seinem Rucksack keinen Platz. Das einzige, worauf er nicht verzichten kann ist ein eigenes Reisekissen. Auf den Kissen der Provinzhotels schläft es sich sonst so unbequem. Ansonsten ist in seinem Rucksack nicht viel Platz, obwohl dieser 15 Kilogramm wiegt. Den Bärenanteil füllen Laptop, Akkus, Kamera, Kabel und Zubehör. So viel Technik zum Wandern im Einklang mit der Natur?

Für Teichmann ist diese Ausstattung notwendig. Es ist also kein Zufall, dass er sich für die schwere 100 Megapixel-Mittelformatkamera entschieden hat, obwohl er sich täglich fragen muss, ob das angesichts des Gewichts so sinnvoll war.

geb. 1970 in Essen, Diplom als Kommunikationsdesigner an der Folkwang Schule in Essen. Arbeitet seit über 25 Jahren als Fotojournalist für inter- und nationale Medien und wurde mit verschiedenen Auszeichnungen geehrt. Neues von seinem Projekt gibt es auf www.50days.de.

Sobald er aber auf den Wanderwegen unterwegs ist, wird er an den Zweck dieses Geräts erinnert. Er sucht die langsamste Fortbewegung und möchte diese durch die Kamera zusätzlich entschleunigen: Sich über die Motive und Bilder umfangreich Gedanken machen; ein Bild 15 Minuten lang planen, bevor es im Kasten ist. Er ist auf der Suche nach den Wurzeln der Fotografie.

Verfolgen kann man sein Vorhaben auf seinem Blog und Instagram. Zu jedem Wandertag gibt es ein kontrastreiches Bild, eine Brennglas-Betrachtung der Gegenden, in welchen er unterwegs ist. Man sieht hochauflösende Aufnahmen von Wäldern, Industriegeländen und Dorfgemeinschaften.

Man sieht einsame Heuballen, die verlassen auf trockneres Wetter warten; Menschen, die im Schweiße ihres Angesichts Bäume schlagen oder Äpfel ernten; Monochromo Stilleben und den Kontrast von fernen Horizonten und eingezäunten Provinzvorgärten.

Und Bilder des Wahlkampfes? Eigentlich ist doch der große Aufhänger seines Projekts die Bundestagswahl am 24. September: Herausfinden, was die Menschen bewegt. Wie die „vibes“ sind.

Er reise ergebnisoffen, sagt Teichmann. Einerseits ist man dadurch jederzeit bereit für Überraschungen, andererseits ist man nicht angehalten sich festzulegen. Seine Dokumentation gibt bisher wenig Hinweise auf die Hintergründe des politischen Hinterlandes. Dort setze der Wahlkampf auf seinen abgelegenen Wanderrouten wahrscheinlich viel später ein, schätzt Teichmann.

„Auf Politik bin ich ganz wenig getroffen. Wobei ich auch nicht mit jedem über Politik reden möchte, vielmehr das Leben, welches die Leute hier führen.“ Einerseits wandert ein Fotograf durch meinland, deinland, unserland. Was das andererseits mit den Bundestagswahlen zu tun hat, bleibt ergebnisoffen.

Letztlich sind seine Bilder also zuallererst Produkte einer Wanderung, was fehlt ist eine Erzählung. So sieht man nur die Impressionen eines Wanderers. Im Bezug zu den Bundestagswahlen mutet es als romantisches Vorhaben an: Der Fotograf, der auszog, um die Welt zu erleben. Schön, so wie die Bilder.