Frankfurter Buchmesse 2019: Schweinshaxe und Klimawandel

Die Frankfurter Buchmesse nimmt Fahrt auf: Robert Habeck, Maja Lunde und die Extremismusforscherin Julia Ebener diskutieren.

Mann auf einem Hocker mit Flüstertüte und Spiegelung

Performance Übung mit Flüstertüte auf der Buchmesse 2019 Foto: Andreas Arnold/dpa

„Hast du irgendwas im Leben gelernt?“, leuchtet es von einer Leinwand in Halle 3.1. Nicht immer pünktlich sein! Denn in Frankfurt füllen sich die Hallen zum Auftakt der Buchmesse nur langsam. Manch Stand ist noch nicht mal fertig aufgebaut. Das hat was, denn bis hier wirken alle entspannt.

Auf der großen Präsentationsfläche „Agora“ ist kaum jemand zu sehen. Es nieselt, und für Essen aus dem Foodtruck ist es ohnehin zu früh. Nun zeigt sich aber schon, was 2019 das große Thema ist: In einer tunnelförmigen Konstruktion des WWF hängt Plastik von den Wänden, Fische sieht man keine mehr. Wie in einem Gruselkabinett können Besucher*innen durch den vermüllten Ozean waten.

Umweltverschmutzung, Klimawandel und Nachhaltigkeit gehören auf der Buchmesse zu den Problemen, über die viel diskutiert wird. Die Nachfrage ist riesig, betrachtet man das Angebot an Natur- und Tierbüchern, das längst über den wissenschaftlichen Bereich hinausgeht. Da ist etwa die aus dem Gastland Norwegen stammende Schriftstellerin Maja Lunde, die mit ihrem Roman „Die Letzten ihrer Art“ bereits den dritten Teil einer Klimasaga veröffentlicht hat. Das vorkommende Aussterben der Arten, ob der Bienen oder seltener Pferderassen, ist Hauptbestandteil ihrer Werke. Zwar seien ihre Geschichten fiktiv, träfen aber den „Zeitgeist“.

Schweinezüchter in Frankreich

Auch im Gespräch zwischen dem Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck und dem Autor Jean-Baptiste Del Amo geht es ums „Tierreich“ – wie auch der neueste Roman des Franzosen heißt. Ein Buch, das sich mit einer Familie von Schweinezüchtern im Frankreich des 20. Jahrhunderts beschäftigt, sei eigentlich kein Stoff gewesen, der ihn interessiere, steigt Habeck, selbst Autor, in das Gespräch ein. Dass es nun aber die literarische Entdeckung des Jahres für ihn geworden sei, liege vor allem an der realistischen Beschreibung des brutalen Mensch-Tier-Verhältnisses in der hoch industrialisierten Welt.

Es funktioniere nur deshalb, weil wir nicht genau hinschauten. Genau hier setze Del Amos Roman an. Wer sich eingehend mit den Haltungsbedingungen in landwirtschaftlichen Betrieben auseinandersetze, könne das ethisch nicht mehr vertreten. „Ich töte dich, weil du gut schmeckst“, damit ist bei Robert Habeck endgültig Schluss. Eine Folgerung, mit der in Frankfurt nicht alle konform gehen dürften, das verraten zumindest die Schweins­haxen, die nicht nur bei österreichischen Verlagen gereicht werden.

Bestseller aufspüren

Neben Analogem in traditioneller ­Papierform hält auch Digitales dieses Jahr vermehrt Einzug ins Messegelände. Wie etwa in Halle 3, wo ­die Firma QualiFiction ihre „smarte Software zur Vorhersage und Analytik von Bucherfolgen“ vorstellt. LiSA genannt, soll das Programm mithilfe künstlicher Intelligenz kommende Bestseller aufspüren. Ob diese künstlich eruierten Werke dann auch spe­ziell gekennzeichnet werden oder sich LiSA namentlich im Impressum wiederfindet, bleibt allerdings noch abzuwarten.

Um Digitalisierung geht es auch bei Sascha Lobo. Der Spiegel-Kolumnist stellt sein vor Kurzem erschienenes Buch „Realitätsschock“ vor, in dem er unter anderem vor Überwachung und ihren gesellschaftlichen Folgen warnt. Schon von Weitem ist Lobo auszumachen– immer wieder taucht in der Besuchermasse seine prägnante rote Irokesenborste auf. Auf seinem Rücken prangt der Erdball, an einer Stelle zerborsten und von einem QR-Code verdeckt. „Scannen Sie diesen Mann?“, heißt es unter einem geposteten Foto auf Instagram.

Über die wenig schöne Forenwelt spricht die Extremismus- und Terrorismusforscherin Julia Ebner auf diversen Sofas. In „Radikalisierungs­maschinen“ beschreibt sie, wie sie sich dank falscher Identitäten Zugang zu extremistischen (Online-)Netz­werken verschaffte. Darunter Hate-Speaker, Nazis, dschihadistische Demagogen und Antifeministinnen, bei denen sie sich fast selbst radikalisiert hätte.

Ein Autor, an dem man die kommenden Tage nicht vorbeikommt, ist der Gewinner des Deutschen Buchpreises Saša Stanišić. Neben Dauerfragen zu seiner Kritik an Peter Handke sind es vor allem seine Erzählungen über die „Eroberung der deutschen Wirklichkeit“, wie er sein Aufwachsen hier beschreibt, denen man stundenlang lauschen möchte.

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