Frankreich beschließt Ja-heißt-Ja: Deutschland muss nachziehen
Die Assemblée nationale hat Konsens in die strafrechtliche Definition von Vergewaltigungen aufgenommen. Ein Schritt, der hierzulande überfällig ist.
E igentlich ist die Entscheidung längst überfällig. Denn Deutschland hat die Istanbul-Konvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zum Schutz von Frauen, bereits 2017 ratifiziert, im Februar 2018 ist sie dann in Kraft getreten. Seitdem wurde Artikel 36 in Deutschland jedoch noch nicht umgesetzt.
Anders als in Frankreich, wo die Assemblée nationale am Donnerstag mit großer Mehrheit Konsens ausdrücklich in die strafrechtliche Definition von Vergewaltigung und sexueller Nötigung aufgenommen hat – so wie es die Istanbul-Konvention vorsieht. Das heißt, dass alle sexuellen Handlungen die explizite Zustimmung des Gegenübers erfordern: also Ja-heißt-Ja. Deutschland muss jetzt dringend nachziehen.
Artikel 36 der Konvention bestimmt nämlich, dass „nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen“ strafbar sind. Obwohl Deutschland dazu verpflichtet ist, das im eigenen Gesetz zu verankern, gilt hier stattdessen immer noch, dass eine sexuelle Handlung nur dann strafbar ist, wenn das Opfer die Handlung explizit ablehnt, wenn sie etwa durch Drohung oder Gewalt erzwungen wurde, oder wenn das Opfer überrascht wurde: also Nein-heißt-Nein.
„Ja-heißt-Ja“ funktioniert
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Die abschließende Abstimmung in Frankreich zu der Gesetzesreform findet kommende Woche statt. Etwas mehr als ein Jahr, nachdem das Urteil im Pelicot-Prozess verkündet wurde. Das setzt nicht nur ein Zeichen, sondern ist dazu auch ein klarer Sieg für die MeToo-Bewegung.
Denn Statistiken zeigen, dass „Ja-heißt-Ja“ wirkt. In den Ländern, in denen diese konsensbasierte Definition gilt, werden mehr Täter von sexualisierter Gewalt verurteilt. Zu diesen Ländern gehören unter anderem Norwegen, Schweden, Dänemark, Griechenland und Spanien. In Deutschland ist die Verurteilungsquote bei Vergewaltigungen erschreckend niedrig. Viele Verfahren werden noch vor einem Urteil eingestellt.
Es ist also höchste Zeit, das nachzuholen, was viele Mitunterzeichner der Konvention bereits geschafft haben. Würde sich etwa Friedrich Merz dafür einsetzen, könnte er damit beweisen, wie sehr ihm der Schutz von Frauen wirklich am Herzen liegt.
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