piwik no script img

Frankreich beschließt Ja-heißt-JaDeutschland muss nachziehen

Valérie Catil

Kommentar von

Valérie Catil

Die Assemblée nationale hat Konsens in die strafrechtliche Definition von Vergewaltigungen aufgenommen. Ein Schritt, der hierzulande überfällig ist.

Die Scham muss die Seite auch in Deutschland wechseln, den nur ein Ja ist ein Ja Foto: Clement Mahoudeau/AFP/dpa

E igentlich ist die Entscheidung längst überfällig. Denn Deutschland hat die Istanbul-Konvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zum Schutz von Frauen, bereits 2017 ratifiziert, im Februar 2018 ist sie dann in Kraft getreten. Seitdem wurde Artikel 36 in Deutschland jedoch noch nicht umgesetzt.

Anders als in Frankreich, wo die Assemblée nationale am Donnerstag mit großer Mehrheit Konsens ausdrücklich in die strafrechtliche Definition von Vergewaltigung und sexueller Nötigung aufgenommen hat – so wie es die Istanbul-Konvention vorsieht. Das heißt, dass alle sexuellen Handlungen die explizite Zustimmung des Gegenübers erfordern: also Ja-heißt-Ja. Deutschland muss jetzt dringend nachziehen.

Artikel 36 der Konvention bestimmt nämlich, dass „nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen“ strafbar sind. Obwohl Deutschland dazu verpflichtet ist, das im eigenen Gesetz zu verankern, gilt hier stattdessen immer noch, dass eine sexuelle Handlung nur dann strafbar ist, wenn das Opfer die Handlung explizit ablehnt, wenn sie etwa durch Drohung oder Gewalt erzwungen wurde, oder wenn das Opfer überrascht wurde: also Nein-heißt-Nein.

„Ja-heißt-Ja“ funktioniert

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Die abschließende Abstimmung in Frankreich zu der Gesetzesreform findet kommende Woche statt. Etwas mehr als ein Jahr, nachdem das Urteil im Pelicot-Prozess verkündet wurde. Das setzt nicht nur ein Zeichen, sondern ist dazu auch ein klarer Sieg für die MeToo-Bewegung.

Denn Statistiken zeigen, dass „Ja-heißt-Ja“ wirkt. In den Ländern, in denen diese konsensbasierte Definition gilt, werden mehr Täter von sexualisierter Gewalt verurteilt. Zu diesen Ländern gehören unter anderem Norwegen, Schweden, Dänemark, Griechenland und Spanien. In Deutschland ist die Verurteilungsquote bei Vergewaltigungen erschreckend niedrig. Viele Verfahren werden noch vor einem Urteil eingestellt.

Es ist also höchste Zeit, das nachzuholen, was viele Mitunterzeichner der Konvention bereits geschafft haben. Würde sich etwa Friedrich Merz dafür einsetzen, könnte er damit beweisen, wie sehr ihm der Schutz von Frauen wirklich am Herzen liegt.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Valérie Catil
Gesellschaftsredakteurin
Redakteurin bei taz zwei, dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Studierte Philosophie und Französisch in Berlin. Seit 2023 bei der taz.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Da kann ich nur zustimmen, zumal wir in einer Zeit leben, in der nicht nur die Übergriffigkeiten (verbal und körperlich!) in ihrer Aggression zunehmen sondern auf Grund „traditioneller“ Tendenzen – ach nennen wir das Balg beim Namen – rechter Strömungen und patriarchaler Voreingenommenheit selbst in institutionellen Strukturen wie Polizei und Justiz, Täterschutz im großem Stil betrieben wird. Anders erklären sich erschreckend niedrige Verurteilungszahlen nicht in D. Der Manosphere müssen Grenzen gesetzt werden, da Selbstreglement offenbar nicht mehr woke ist 😉