Frankreichs Umweltminister schmeißt hin: „Ich will nicht länger lügen“

Nicolas Hulot verlässt sein Amt als Staatsminister für Umwelt und Klimawandel. Er kritisiert den starken Einfluss gewisser Lobbys in Frankreich.

Nicolas Hulot verlässt den Elysee-Palast

Nicht mit der Prioritätensetzung von Staatspräsident Emmanuel Macron einverstanden: Nicolas Hulot Foto: ap

PARIS taz | Die öffentliche Ankündigung kam unvermittelt, eine wirkliche Überraschung aber ist der Rücktritt des französischen Staatsministers für Umwelt und Klimawandel, Nicolas Hulot, nicht. Die Pariser Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass er seit Monaten schon – vielleicht sogar fast von Beginn an? – mit dem Gedanken spielte, wie jetzt mit Eklat aus der Regierung zurückzutreten. Ein Treffen mit dem Jägerverband am Montag zusammen mit Präsident Emmanuel Macron scheint das Fass seines Unmuts zum Überlaufen gebracht zu haben.

Seine Demission ist eine eminent politische Geste und nicht nur die konsequente Reaktion eines langjährigen Umweltjournalisten und Naturschützers, dessen ökologische Grundsätze von der Realpolitik auf eine zermürbende Bewährungsprobe gestellt worden sind. Hulot hatte sich nicht nur vom Projekt, sondern auch von Macrons Persönlichkeit gewinnen und überzeugen lassen.

Seine Bilanz tönt darum für den Präsidenten umso vernichtender als Urteil: Die Umwelt sei „keine Priorität“ für den Staatschef und dessen Regierung. „Ich will nicht länger lügen“, erklärte er im Gespräch mit Radio France Inter.

Konkret kritisiert er den Einfluss gewisser Lobbys auf die Staatsführung. Diese macht er verantwortlich dafür, dass er „nur kleine Schritte“ machen konnte. In mehreren Fragen wie dem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie musste er sich gedulden oder Kompromisse akzeptieren, die ihm und den mit ihm befreundeten Umweltaktivisten als Kapitulationen vorkommen mussten.

Er zählt zu den beliebtesten Franzosen

Bezeichnend für solche Demütigungen waren die Diskussionen um ein Verbot der Glyphosate und anderer Pestizide in der Landwirtschaft. Ständig musste Hulot damit rechnen von Präsident Macron oder Premierminister Édouard Philippe, wenn nicht sogar von Landwirtschaftsminister Stéphane Travert, mit Dementis korrigiert zu werden. Wenn Hulot sich über mächtige Lobbys beklagt, denkt er unter anderem an Agrochemie-Konzerne wie Monsanto, die auch in der EU ihren Einfluss gegen drohende Verbote geltend machen.

Populär ist der 1955 in Lille geborene Hulot nicht als Minister geworden, sondern bereits ab Ende der Achtzigerjahre als Fernsehjournalist mit spektakulären Reportagen in Urwäldern für seine Sendung „Ushuaia – le magazine de l'extrême“, die seinen Ruf als Naturschützer begründete. Er zählte in den Umfragen seither auch immer zu den beliebtesten Franzosen. Er verwandelte das in ein Geschäftsmodell mit einem Fernsehsender, einer eigenen Stiftung und den nach seiner Sendung benannten Duschgels und anderen Kosmetikprodukten.

Seit Jacques Chirac wollten ihn alle Staatschefs als Berater oder als Regierungsmitglied. Bis zur Wahl von Macron lehnte er jedes Mal den Ministerposten ab. Hingegen spielte er auf Drängen der Grünen mehrfach mit dem Gedanken, selbst bei Präsidentschaftswahlen anzutreten.

Schließlich zog er es vor, seinen Einfluss auf die Kandidaten zu nutzen: 2006 mit einem „Ökologischen Pakt“, den die wichtigsten Kandidaten, unter ihnen der spätere Präsident Nicolas Sarkozy und dessen sozialistische Gegnerin Ségolène Royal, unterzeichneten. Unter Präsident François Holland wirkte er als Sonderberater für Umwelt und Gesandter für die Pariser Klimakonferenz COP21 (2015).

Die Opposition begrüßt Hulots Entscheidung

Hulot war politisch und auch als Person umstritten. So wurde gesagt, sein Privatleben stehe wenig in Einklang mit seinen ökologischen Forderungen, da er beispielsweise eine ganze Sammlung von Luxusautos zu besitze. Wenige Monate nach seiner Ernennung als Staatsminister wurde er vom später eingestellten Magazin „Ebdo“ der Vergewaltigung einer jungen Frau – einer Enkelin von Ex-Präsident François Mitterrand – beschuldigt, was Hulot empört dementierte. Wegen Verjährung der Vorfälle von 2008 wurde die Voruntersuchung dazu eingestellt.

Regierungssprecher Benjamin Griveaux „bedauerte“ den Rücktritt, der ihm in seiner abrupten Form „unhöflich“ vorkomme, weil weder der Staatschef noch der Premierminister davon Kenntnis hatten. Ein Jahr reiche nicht für eine „Umweltrevolution“, und er persönlich ziehe es vor, „kleine Schritte zu machen, statt am Ort zu treten“, sagte Griveaux.

Die Opposition dagegen begrüßte Hulots Entscheidung. „Ich teile nicht unbedingt seine Ansichten, aber ich kann es verstehen, dass er sich verraten fühlte“, kommentierte Laurent Wauquiez, Vorsitzender der konservativen Partei Les Républicains. Für Jean-Luc Mélenchon von der linken France insoumise ist die Demission „wie ein Misstrauensvotum gegen Macron“. Der grüne EU-Abgeordnete Yannick Jadot twitterte: „Hulot hat Recht damit, nicht länger als Bürge dienen zu wollen.“

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