Frauen in der sudanesischen Revolution: Gestern und heute Kämpferinnen

Seit Jahrzehnten kämpfen die Frauen in Sudan für ihre Rechte. Das Al-Bashir-Regime versuchte sie einzuschränken, nun kommen sie zurück.

Eine sudanesische Demonstrantin

Eine sudanesische Demonstrantin in Khartum Foto: reuters

BERLIN taz | Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir ist vom Militär abgesetzt worden. Die Opposition und die auf der Straße Protestierenden wollen eine schnelle und vollständige Machtübergabe an eine Zivilregierung. Die ersten Proteste waren von der sudanesischen Gewerkschaft SPA organisiert worden, aber die Bewegung umfasst inzwischen alle Schichten der Bevölkerung.

Seit Beginn der sudanesischen Revolution in Dezember 2018 beteiligten sich viele Frauen an den Demonstrationen. Es ist klar, dass der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung derzeit eine der entscheidenden politischen Bewegungen in Sudan ist.

„Tatsächlich machen die Frauen mehr als die Hälfte der Demonstranten aus“, sagen Kalid Kunna und Monem Jamal, zwei Studenten, die seit Beginn der Revolution dabei sind, der taz. Die zwei Männer erklären, dass Frauen Ungerechtigkeiten und historischen Vorurteilen ausgesetzt seien und es nun an der Zeit sei, das zu ändern.

Die Freiheit ist keine Geschichte mehr

Die Frauen, die an den jüngsten Demonstrationen in Sudan teilgenommen haben, werden als Kendaka bezeichnet. So hieß jene Königin aus der Nubien-Zeit, die damals die Freiheit ihres Landes verteidigt hatte. Eine 22-jährige Kendaka, die sudanesische Studentin Alaa Salah, ist mittlerweile zu einer der Symbolfiguren der Bewegung gegen das herrschende Regime geworden.

Mit ihrem weißen Kleid, wie es traditionell von den arbeitenden Frauen in Sudan getragen wird, ihren goldenen Ohrringen, ihrer Körpersprache und ihrer kraftvollen Stimme erregte sie landesweit Aufmerksamkeit. Lautstark wandte sie sich gegen die Diskriminierung der Frauen durch die Al-Bashir-Regierung. „Alaa Salah sprach für viele Frauen, die mutig ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen“, sagt Mona Abdallah, eine 46-jährige Aktivistin, die an den Demonstrationen teilnimmt, aus Angst vor einer Verhaftung ihr Gesicht aber nicht in den Medien zeigen will, der taz.

In Sudan gibt es viele Aktivistinnen, die unter Pseudonym schreiben und sich nicht öffentlich zeigen wollen. Alaa Salah hat Morddrohungen erhalten und vermutet die Al-Bashir-Regierung dahinter. Den Aktivistinnen werden Vergewaltigung oder körperliche Gewalt angedroht, sie werden aufgrund ihrer politischen Meinung verhaftet. Eines der schlimmsten Gefängnisse des Sudan ist das Om-Al-Darman-Gefängnis in der Hauptstadt Khartum.

Aktivistinnen berichten immer wieder über die schlimmen Bedingungen, unter denen die weiblichen Insassen des Om-Al-Darman-Gefängnisses leiden. Ihsan Fakiri, Professorin an der Bahri-Universität in Khartum, wurde mit neun anderen Frauen in einem sechs Meter breiten Raum mit nur fünf Betten und zwei winzigen Fenstern eingesperrt. 15 Tage lang war sie nicht in der Lage, ihre Diabetesbehandlung zu bekommen, einen Monat lang konnte sie ihre Familie nicht kontaktieren.

Frauenanteil in den sudanesischen Gewerkschaften

Die Frauen begeistern die Demonstrantinnen mit ihren unverwechselbaren Liedern, Wehklagen und Hurra-Rufen. Doch sie sind nicht nur auf der Straße aktiv, sondern sie sind auch Leiterinnen der politischen Bewegungsorganisationen, die für die Freiheit und den politischen Wandel kämpfen.

An den Demonstrationen beteiligten sich die politische Gruppen, die sich schon vor Beginn der Herrschaft von Al-Bashir gegründet hatten, um für die Verbesserung der Situation der Frauen im Sudan zu kämpfen.

Die Frauenunion Sudans existiert seit 1952, und hat eine große Rolle bei dem Wandel der Einstellung der Frauen zum politischen Leben gespielt. Sie erkämpfte den Frauen das Wahlrecht. 1965 konnten Frauen erstmals für ein Mandat im Parlament kandidieren und Fatima Ahmed wurde zur ersten Abgeordneten gewählt. Danach erhielten Frauen eine Reihe von Rechten, vor allem am Arbeitsplatz.

Trotz vieler Hindernisse bei der Erhöhung des Frauenanteils in der Politik, konnten auf dem Feld der Gleichstellung große Fortschritte erzielt werden bis das Al-Bashir-Regime ab 1985 sowohl die Arbeit der Frauen als auch die der Opposition einzuschränken begann.

Genitalverstümmelung und Unterdrückung

Während der Herrschaft von Al-Bashir litten die Frauen unter diskriminierenden Anordnungen . „Frauen sollten nicht laut sprechen “, erklärte Ihsan Fakiri beim Treffen sudanesischer Aktivistinnen in London. Amani Alameen, eine 30-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin, fügte hinzu, dass Hunderte Frauen in Sudan in den vergangenen Jahren zu Prügelstrafen verurteilt worden sind. Der Kampf gegen die Genitalverstümmelung im Sudan hat bisher keine großen Fortschritte erzielt. Laut dem Unicef-Bericht „Monitoring the Situation of Children and Women“ aus dem Jahr 2013 waren in Sudan und Südsudan 88 Prozent der Mädchen und Frauen im Alter von 15-49 Jahren genitalverstümmelt.

Die Frauen haben sich bei den jüngsten Protesten gegen das Regime ihre Stimme zurückgeholt und sind entschlossen, sich ihren Platz in der Zukunft zu sichern. In einer Stellungnahme verlangten politische und zivile Frauengruppen, dass bei der Bildung einer neuen Regierung Frauen die Hälfte aller Ämter zugesprochen werden muss.

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