Frauenrechte in Katar auf dem Vormarsch: Männer meiden die Unis

Für einen gut bezahlten Job drücken junge Frauen jahrelang die Hochschulbank. Jungen Männern bleibt das erspart, ihnen ist ein guter Job sicher.

Scheicha Moza, die ehemalige First Lady Katars, leitete den Wandel im Land ein. Bild: dpa

DOHA taz | Für die katarische Studentin Noora Ali steht eines fest: Ein Ehemann ohne Hochschulabschluss kommt für sie nicht in Frage. „Warum soll ich mich mit einem ungebildeten Mann zufriedengeben, nachdem ich studiert habe?“, fragt Noora Ali. Sie weiß genau, was sie will.

Doch das könnte schwierig werden. In Katar gehen weitaus weniger Männer auf eine Universität als Frauen. Aus Desinteresse, aber auch, weil selbst ohne Hochschulabschluss Arbeitsstellen mit lukrativem Einkommen in den Ministerien, beim Militär, der Polizei oder bei Papa im Büro auf sie warten. Das könnte zu Konflikten führen, da immer mehr Frauen wie Ali denken.

Die 21-Jährige ist in eine schwarzen Abaya gehüllt. Dazu trägt sie ein Kopftuch, ist dezent geschminkt. Sie studiert im dritten Semester Internationale Beziehungen an der Katar-Universität. Anschließend möchte sie ihren Master in Politik und Wirtschaft machen und sich im Außenministerium bewerben. Sie will Botschafterin werden.

Einfach wird das nicht. Ihre Eltern unterstützen sie zwar, allein reisen dürfe sie jedoch nicht. „So weit sind sie noch nicht“, sagt sie. Ali ist froh, dass sie studieren darf. Ihre Eltern, der Vater Polizist, die Mutter Hausfrau, wollen nicht, dass sie jetzt heiratet. Nach dem Studium, glauben sie, würde der Zukünftige ihrer Tochter sie mehr respektieren.

Bildungsschere zwischen den Geschlechtern

Laut einem Forschungsinstitut sind an der Katar-Universität 80 Prozent der 8.000 Studierenden weiblich. Männer interessiert ein Hochschulabschluss nicht, obwohl das Studium an der staatlichen Universität kostenlos ist. Allen einheimischen Studenten zahlt der Staat während ihrer Studienzeit zudem ein Gehalt.

Internationale Einrichtungen sind wegen ihrer Stipendien attraktiv. Damit berufstätige junge Männer ein Studium in Erwägung ziehen, bieten Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten an – allerdings vergeblich. Der Staat befürchtet, dass die Schere zwischen den gebildeten Frauen und den ungebildeten Männern immer weiter auseinandergeht.

Noch vor wenigen Jahren war das anders. Der Wandel ist der ehemaligen First Lady des Golfstaats, Scheicha Moza bint Nasser al-Missned, zu verdanken. Nachdem ihr Ehemann Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani, der 2013 abdankte, 1995 die Macht übernahm, half sie ihm, den Wüstenstaat zu modernisieren. Katar, wegen seiner Öl- und Gasvorkommen eines der reichsten Länder der Welt, ist demografisch gesehen ein Ministaat: Von den knapp 2,5 Millionen Einwohnern sind nur etwa 250.000 Kataris, die Mehrheit Arbeitsmigranten aus dem Ausland.

Scheicha Moza setzte sich für Frauenrechte und für eine bessere Ausbildung der Jugendlichen ein. Nachdem sie eine Bildungsstadt aus dem Boden stampfte, siedelte sie dort renommierte internationale Universitäten an. Scheicha Moza zeigte sich auch ohne Ehemann in der Öffentlichkeit, um den vielen Projekten ein Gesicht zu geben – ihr Gesicht.

„Sie ist das Vorbild aller katarischen Frauen“, sagt Lina Kassem, Dozentin an der Katar-Universität. „Durch Scheicha Moza haben die Frauen mehr Rechte als sonst irgendwo in der islamischen Welt.“ Tatsächlich war Katar das erste Land am Golf, das den Frauen aktives und passives Wahlrecht einräumte. Es gibt keinen Verschleierungszwang und sie dürfen Staatsämter bekleiden.

Arbeitsmarkt soll nationalisiert werden

Seit 1995 gibt es in jeder Regierung ein oder zwei Ministerinnen. Der Staat ist darauf bedacht, die Frauen stärker am öffentlichen Leben zu beteiligen. Denn in der 2008 von der Herrscherfamilie vorgestellten „Nationalen Vision 2030“ soll der von den Migranten dominierten Arbeitsmarkt „nationalisiert“ werden.

Bisher liegt die Beschäftigungsquote der Frauen unter 30 Prozent, in Führungspositionen sind sie unterrepräsentiert, in der Beratenden Versammlung sitzt nur eine Frau. Zudem verdienen Frauen weitaus weniger als Männer, auch mit Hochschulabschluss.

„Katar ist ein junger Staat, vieles muss noch geregelt werden“, erklärt Lina Kassem. Erst 1971 erlangte Katar seine Unabhängigkeit. Bis dahin war es eine Stammes- und Beduinengesellschaft. Kassem glaubt, dass die Frauen künftig eine tragende Rolle spielen werden. Die Studentin Noora Ali ist sich dessen ebenfalls sicher. Ob es aber zu der begehrten Stelle im Außenministerium kommt, ist offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.