Frei.Wild über ihre Nähe zu Rechts: „Traditionen sind uns wichtig“

Frei.Wild wird Anschlussfähigkeit an die extreme Rechte nachgesagt. Sänger Philipp Burger über konservative Werte, Texte und seine Opferrolle.

Jonas Notdurfter, Jochen Gargitter, Philipp Burger and Christian Fohrer von Frei.Wild, 2013. Bild: dpa

Ein Restaurant in Berlin-Lichterfelde, Ende Februar. In einem schmucklosen Veranstaltungsraum des Schweizer Lokals sitzen Philipp Burger, Jochen Gargitter, Christian Fohrer und Jonas Notdurfer von der Südtiroler Band Frei.Wild. Sie geben Interviews anlässlich ihres in der kommenden Woche erscheinenden Albums „Opposition“. Überwiegend spricht Burger (Sänger, Gitarrist und Texter) im Namen der Band. Frei.Wild traten in die Lücke der Böhsen Onkelz, nachdem diese 2005 zwischenzeitlich von der Bildfläche verschwanden. Den Inhalten Frei.Wilds wird eine Anschlussfähigkeit an die extreme Rechte nachgesagt. Mit zahlreichen Nummer-eins-Platzierungen und Goldenen Schallplatten sind Frei.Wild, die es seit 2002 gibt, die erfolgreichste Band im „rechtslastigen Rock“ der vergangenen Jahre. Rechtslastiger Rock? Das will Burger so nicht stehen lassen.

taz: Herr Burger, das neue Frei.Wild-Album trägt den Titel „Opposition“. Gegen wen richtet sich diese Opposition?

Philipp Burger: Gegen gar nichts. Opposition ist einfach ein starker, markanter Begriff, der eingängig klingt. Die gesamte Natur ist nach diesem Prinzip aufgebaut: Es gibt eine Position und es gibt eine Opposition dazu. Mal geht es voran, mal gibt es Gegenwind, mal fällt man um, mal steht man wieder auf. So ist das Leben. Nachdem wir auch viel Gegenwind erfahren haben, ist das ein sehr treffender Begriff für uns.

Sie singen in Ihren neuen Songs häufig von „Lügen“ und „Denunzianten“. Wen meinen Sie?

Wir behandeln in unseren Songs immer Dinge, die wir persönlich erlebt haben. Und wir wurden von unseren Eltern so erzogen, dass man sich eine eigene Meinung bildet. Wir möchten unseren Hörern sagen: Wenn ihr zweifelt, bildet euch eine Meinung.

Sie haben auch immer wieder gesagt, es würden Lügen über Ihre Band verbreitet. Hört sich so an, als bezögen sich die Songs auch darauf.

Natürlich zielen die Songs auch darauf ab. Wir sind nicht damit einverstanden, dass man uns in die rechte Ecke gedrängt hat, obwohl wir uns diesbezüglich nichts vorzuwerfen haben. Ich sehe uns eher in der Mitte. In Deutschland geht das Wort rechts nahtlos über in das Wort rechtsextrem. Weil es uns dann automatisch nach rechtsaußen spült, wollen wir das nicht mit uns in Verbindung gebracht wissen.

Sie besingen oft die „Heimat“. Ist ein so stark vertretener Heimatbegriff nicht eine politische Verortung rechts der Mitte?

Wir haben bestimmt eine konservative Wertehaltung. Traditionen und Bräuche sind uns wichtig. Aber von allem Rechtsextremen distanzieren wir uns vehement. Und wenn man sich andere Länder anschaut – Frankreich oder Italien – da ist ein so starker Heimatbegriff im Pop oder Rock überhaupt kein Problem. Außerdem waren wir im vergangenen Sommer bei einem Treffen der OEW, der Organisation für eine solidarische Welt, in Südtirol, die uns geprägt hat. Da waren zweiheimische Menschen …

„zweiheimische“? …

Genau. Das haben wir auch gefragt. Der Begriff stammt nicht von uns. Es waren Menschen mit Migrationshintergrund aus Albanien, Pakistan und aus Bosnien da. Und die haben erzählt, dass sie sowohl ihr Herkunftsland als auch das Land, in dem sie jetzt leben, als Heimat ansehen. Und das, obwohl sie mit ihrem Herkunftsland oft ganz schreckliche Geschichten verbinden. Das hat uns darin bestärkt, wie wir über Heimat denken. Es ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen, sich irgendwo zu Hause zu fühlen. Wir besingen diese Heimatgefühle. Das heißt aber nicht, dass man dadurch das Recht hat, uns in eine Ecke zu stellen, in der wir wirklich nicht sind.

In Ihrem Song „Südtirol“ heißt es: „Südtirol, du bist noch nicht verlor’n / in der Hölle sollen deine Feinde schmorr’n.“ Wie ist das zu verstehen?

Damit sind die Feinde der Autonomie Südtirols gemeint – zum Beispiel italienische Faschisten, die nicht zulassen, dass deutschsprachige Südtiroler ihre Muttersprache sprechen dürfen.

Das erschließt sich aber – selbst wenn man um die Geschichte Südtirols weiß – nicht sofort.

Das kann sein. Dies ist ein großes Problem, das Frei.Wild in der Mediendarstellung haben. Die Menschen in Deutschland wissen zu wenig über die Geschichte Südtirols Bescheid. Aber als Band kann man nicht die ganze Geschichte des Landes in einem Booklet abdrucken. Wir sind nicht dafür verantwortlich, Geschichtsunterricht zu machen.

Die Frage ist doch: Ist Heimat nur dann schön, wenn die Beheimateten unter sich bleiben, oder dürfen auch andere dazukommen?

Die Frage kränkt mich wirklich fast. Es gibt keine Frei.Wild-Zeile, die irgendjemanden ausgrenzt.

In dem Song „Land der Vollidioten“ heißt es: „Kreuze werden aus Schulen entfernt / aus Respekt vor andersgläubigen Kindern.“ Da klingt etwas anderes an. Wird Ihnen Ihre Kultur genommen?

Nein, das bezieht sich doch nur auf die Diskussion um die Kreuze in den Klassenzimmern, die es damals – nicht nur – in Tirol gab. Wir sind christlich-katholisch erzogen worden, und ich finde es zwar wichtig, dass meine Kinder selbst entscheiden sollen, was sie glauben und was nicht – aber sie sollen auch zumindest die Möglichkeit haben, den Glauben zu entwickeln. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Kreuz im Klassenzimmer nun irgendjemanden stört.

Nun gibt es aber nicht nur Ihre Songs, Sie äußern sich auch anderswo. Zum Beispiel in einem Post während der EM 2012, in dem eine Relativierung der NS-Verbrechen anklang. Da regen Sie sich wörtlich über eine „’Wir alle müssen ewig für die Taten unserer Vorfahren büßen‘-Politik“ auf und schreiben, irgendwann lange es mal mit Selbstscham und Selbsthass. Das hört sich deutlich nach „Schlussstrich“ an.

Der Anlass für diesen Post war, dass jemand dazu aufgerufen hatte, alle Fahnen während der EM abzureißen und – wenn ich mich recht erinnere – auch den Außenspiegel eines Autos wegen eines schwarz-rot-goldenen Überziehers abgetreten hatte. Für mich ist das ein No-Go. Das gibt es in keinem anderen Land der Welt, dass man dazu auffordert, die eigenen Fahnen zu verbrennen oder abzureißen. Das war alles, was ich geschrieben habe. Und wenn Sie jetzt sagen, ich hätte mich zur NS-Vergangenheit geäußert, dann kann ich sagen: Ich wüsste nicht, dass ich das auch nur ein Mal getan hab.

Was Sie schrieben, klang relativierend.

Fakt ist trotzdem, wenn man hergeht und die Summe aller Frei.Wild-Texte anschaut, dann sind wir ganz bestimmt eine Band, die vor solchen Regimen und vor solchen Gedankenwelten warnt. Das müsste man eigentlich honorieren und nicht diesen einen Post hernehmen und mir wegen einer abgerissenen Fahne unterstellen, dass ich die NS-Vergangenheit relativiere. Das ist für mich nicht in Ordnung.

Dennoch haben Sie ja auch eine Vergangenheit mit der Band „Kaiserjäger“. Jeder kann sich ändern, aber er wird auch an seiner persönlichen Geschichte gemessen.

Das Thema können wir eigentlich auch abhaken, denn wenn von dieser Zeit noch irgendwas übrig wäre, gäbe es Frei.Wild nicht.

Wie bewerten Sie das aus heutiger Sicht? Waren Sie ein Nazi damals?

Ich sehe es als Entwicklungsprozess, der zu meinem Leben dazugehört. Ich kann aus heutiger Sicht sagen – auch wenn ich keine Vorstrafen oder so gekriegt habe –, dass es in meinem Leben extrem viel bewirkt hat. Negativ in dem Sinne, was es später medial bewirkt hat, und positiv, weil man mir in dieser Hinsicht heute viel mehr Glauben schenkt als Menschen, die nicht dabei waren. Trotzdem hätte ich – aus heutiger Sicht betrachtet – zu der Zeit besser den ganzen Tag Fußball gespielt.

Hat denn bei Ihnen ein Prozess stattgefunden, sodass Sie sich nun deutlicher vom rechten Rand abgrenzen?

Es ist sicher nicht immer optimal gelaufen, was die Schadensbegrenzung diesbezüglich betrifft. Da hätte man vielleicht gewisse Sache anders machen können.

Zum Beispiel?

Vielleicht genau so ein Post wie der zur EM 2012, der unnötig Öl ins Feuer gießt. Wir haben im vergangenen Jahr nur ein Konzert gespielt und machen nun manche Sachen anders. Wir wollen, dass man uns als Personen ernst nimmt, dass man genau auf unsere Texte und unsere Leben schaut und nicht Dinge aus dem Zusammenhang reißt.

Was bedeutet das konkret?

Wir haben uns zusammen mit Fans, Produzenten und Freunden die Texte des neuen Albums ganz genau angesehen. Früher haben wir gesungen, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Diesmal haben wir wirklich über die Texte reflektiert und gesagt: Leute, wenn sich hier irgendwo etwas Fragwürdiges findet, wenn sich in den Liedzeilen irgendwo eine Leiche im Keller versteckt, dann wollen wir sie finden. Es war nicht notwendig. Dieses Album wird niemanden auf den politischen Zeh treten.

Dies war Ihr expliziter Wunsch?

Es war der explizite Wunsch, ein schönes Album zu machen, das unsere Gedankenwelt widerspiegelt.

Wieso verzichten Sie nicht völlig auf das Spiel mit „rechten“, martialischen und militaristischen Klischees, etwa, wenn Sie von einer „Deutschrockarmee“ singen oder im Text zum Song „Im Sturm, wo unsere Fahnen stehen“?

Wir haben und werden niemals mit „rechten“ Klischees spielen. Wenn irgendwelche Spinner Wörter aus dem Zusammenhang reißen und eine Parallele zum Dritten Reich ziehen, wird es einfach grotesk. Unsere Lieder haben immer eine Aussage – diese wird schnell klar, wenn man den ganzen Song anhört. Außerdem gehört eine markante, imposante und blumige Sprache zur Rockmusik und anderen Musikgenres mit Attitude – wie zum Beispiel auch dem HipHop – dazu.

Beim Hören Ihrer Alben hatten wir das Gefühl, dass Sie sich als Opfer inszenieren. Sind Sie Opfer? Sind Ihre Fans Opfer?

Wie wir die letzten Jahre teilweise behandelt worden sind – das können wir einfach nicht gutheißen. Darauf reagiert man als Rockband. Ob man sich jetzt als Opfer sieht oder nicht, ist eigentlich total wurscht. Es geht darum, wie man sich damit fühlt. Wenn man sich nicht gut fühlt in einer Rolle, die man zugeschrieben kriegt, dann sagt man das einfach. Es gibt zum Glück viele Menschen, die ihre Meinung in Bezug auf Frei.Wild auch geändert haben.

Um noch klarere Fronten zu schaffen, wäre es ein Leichtes, einen Song zu schreiben, der sich eindeutig gegen rechts positioniert. Warum machen Sie das nicht?

Haben wir doch, und das schon unzählige Male. Auch auf diesem Album und zwar mit „Ich bin neu, ich fang an“ …

das aber eher einen persönlichen Veränderungsprozess beschreibt und nicht gerade ein Klartext-Song ist. Oder?

Wer genau hinhört, kann gut erkennen, dass es um die Geschichte eines Menschen geht, der seine Heimat verlassen muss und in der Fremde ein neues Leben anfängt. Wenn sich jemand mehr Klartext wünscht, soll er sich ein Frei.Wild-Shirt holen, auf dem steht, was wir von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit halten. (Es gibt T-Shirts mit dem Slogan „Frei.Wild gegen Rassismus und Extremismus“, Anm. d. Red.) Außerdem machen wir nun schon im dritten Jahr, nun auch in Zusammenarbeit mit Peter Maffay, das Charity-Projekt Wilde Flamme. 2014 ging der Erlös an Thiam Matoure, einen Straßenhändler aus dem Senegal. Der hat nämlich etwas sehr Außergewöhnliches getan: Er hatte eine Taschendiebin beim Klauen beobachtet. Er hat sie überwältigt und ihr die Beute abgenommen. Das waren 8.000 Euro. Jeder hätte gedacht: Der steckt das Geld ein. Aber er hat es zur Polizei getragen. Dafür haben wir ihn im letzten Jahr ausgezeichnet.

Warum hat Sie das Handeln des Straßenhändlers überrascht?

Das ist ein Mensch, der 10.000 Kilometer von seiner Familie entfernt lebt. Das bisschen Geld, das er durch den Straßenverkauf verdient, schickt er nach Möglichkeit zu seiner Familie nach Afrika. Für viele Menschen – selbst für die, denen es besser geht als ihm – wäre die Versuchung sicher groß gewesen, die Beute einfach einzusacken. Er aber ist ein tolles Vorbild für Korrektheit und Ehrlichkeit.

Okay. Und warum spielen Sie nicht mal Konzerte gegen rechts?

Zum einen ist es so: Wir wurden noch nie eingeladen, uns an so etwas zu beteiligen. Ich glaube, dass es wenige Veranstalter gibt, die sich das trauen würden. Und dann gibt es ein paar Organisationen, die wir von uns aus angesprochen haben, weil wir sie unterstützen wollten.

Nämlich?

Wir haben der Organisation Exit unsere Unterstützung angeboten. Die Initiative lehnte unsere Anfrage ab.

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