Freiburg-„Tatort“: Traumhaft traumartige Krimifolge

Ein ausgebrannter Schuppen, ein gestohlenes Auto – und ein ermordetes Pärchen: Der in übernächtigter Stimmung in Szene gesetzte Krimi ist gelungen.

Ein junger Mann hebt die Hände

Wird im Wald aufgegriffen: „Damian“, umwerfend fahrig gespielt von Thomas Prenn Foto: SWR

Alle in diesem Tatort sind erschöpft. So unfassbar müde, dass sie in der Bibliothek auf dem Boden einschlafen. So fertig, dass sie auf der Wartebank im Kommissariat selig einschlummern, nach über 24 Stunden im Dauerdienst. Ihre Lider zucken nervös vor Überdrehtheit und trockenen Augen, sie haben Nasenbluten vor Stress. Da hilft das Nutellaglas auf dem Schreibtisch nicht, auch nicht die Koffeintabletten, die Zeugen den Kommissaren rüberreichen. Ein Tatort wie das reinste Vorweihnachtsgefühl: Nach müd kommt blöd. 1a-Programmplanung, ARD!

Die, die da umherwanken, sind die Freiburger Tatort-Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Luka Weber (Carlo Ljubek), eingesprungen für Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner), der nach einem Skiunfall flachliegt – weil Wagner tatsächlich zu Drehbeginn ausfiel.

Der andere todmüde Typ ist „Damian“: ein spirrliger blut­armer Jurastudent, der so durch ist vor lauter Büffeln, dass er sogar den Nachprüfungstermin um drei Wochen verpennt, nachts in Boxershorts im Wald aufgegriffen wird, in Tatort-Nähe. Umwerfend fahrig gespielt von Thomas Prenn vom Badischen Staatstheater.

Die übernächtigte Stimmung ist ideales Hintergrundrauschen für das traumartige Arrangement der Fälle, die Tobler und Weber verfolgen: ein ausgebrannter Schuppen, ein gestohlenes Auto – und ein ermordetes Pärchen. Alles sortiert sich erst am Schluss, als würde man aufwachend seine Sinne sammeln. Allein das macht diese Folge so außergewöhnlich. Mit Traumsequenzen, Fantasie-Freunden, Stimmen im Kopf, die sich als solche nicht sofort zu erkennen geben.

Freiburg-Tatort „Damian“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Dass das so gut gelingt, darf man Stefan Schallers Regie und großzügig Lars Hubrich anrechnen. Hubrich hat schon Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ in ein umwerfendes Drehbuch verwandelt. Ein großer Bonus: Johann von Bülow, der einen Verdächtigen so bedächtig spielt, dass man sich wünschte, er würde nicht erst nach der Hälfte auftauchen (Nora von Waldstätten als Kommissars-Side­kick ignorieren wir übrigens mal. Weil.).

Nicht zu vergessen: Der Lokalkolorit dieser Filiale sitzt. Wo der Bus nie fährt, Menschen sich mit Nachname, Vorname vorstellen, die Radiotapete „Hungry Heart“, „Felicita“ und Curtis Stigers dudelt, als wäre man wirklich in SWR1-Land unterwegs. So wahrhaftig, dass sich Badener sofort zu Hause fühlen, egal wo sie gerade sind. Kleiner Weihnachtswunsch: Passt auf eure müden Mitmenschen auf.

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