Freiraum Blog: Digital diversifizieren

Seit 2006 können tazlerInnen in den taz Blogs grenzenlos schreiben – so sie es denn wollen.

Tippen bis die Finger bluten: tazler bei der Schreibarbeit. Bild: Karsten Thielker

Die Blogs auf taz.de waren 2006 Vorreiter beim Ausbau der Webpräsenz der tageszeitung. Noch bevor sich die Online-Redaktion täglich darum kümmerte, die Inhalte der gedruckten Zeitung für das Internet aufzubereiten, war mit den taz-Blogs eine Plattform geschaffen worden, auf der Autoren und Freunde der taz aktuell und exklusiv für das Netz publizieren konnten.

„Bloggen war für die taz-RedakteurInnen damals irgendwie noch etwas Unanständiges“

Ohne Redaktionsschluss und ohne Zeilenbegrenzung – für permanent von der Uhrzeit und Platzmangel gequälte Tageszeitungsmenschen eigentlich paradiesische Zustände.

Doch dass die neue Blog-Plattform nun von den taz-RedakteurInnen quasi gestürmt wurde, weil sie endlich all das, was an Recherchematerial nicht mehr in ihre Artikel passte, was als kleine Meldung aus ihrem Fachgebiet zu speziell war, um gedruckt zu werden, oder was ihnen nebenher und sonst so einfiel – dieser Ansturm blieb aus.

Der Graben zwischen Print und Digital, zwischen Holzzeitung und Internet, existierte damals auch in der für Grenzüberschreitungen eigentlich stets offenen taz.

„Bloggen”, das schien für die Damen und Herren Redakteure im Haus damals irgendwie noch in den Bereich des Unanständigen zu fallen. Etwas, das eher mit Hobbyismus als mit Publizistik zu tun hatte, und wenn mit Journalismus, dann mit einem zweiter oder dritter Klasse.

Zartes Interesse

Dass eine Nachricht und eine Meinung, die schwarz auf weißes Papier gedruckt wird, irgendwie wertiger, wirkungsvoller und „wahrer” sei als eine, die digital erscheint, von diesem frommen Glauben, der vor einem Jahrzehnt noch die gesamte Branche beherrschte, war auch das etwas andere Medienhaus in der Rudi-Dutschke-Straße nicht gefeit.

Zumindest für eine Weile, denn bald registrierten auch die Redaktionen, dass „digitale Reichweite” ein Faktor ist und mancher Blog durchaus so viele Leser erreicht wie ein Artikel in der Zeitung.

» Meldungen, Berichte und (selbstkritische) Gedanken aus dem taz-Verlag und der -Redaktion versammelt der taz-Hausblog.

 

» Wie entsteht er und was passiert dort eigentlich den ganzen Tag – das „lab.log“, der Blog des taz.lab, erzählt über den alljährlichen taz-Kongress.

 

» Zwischen AutorInnengesprächen, zuviel Körpernähe und Leben in Messehallen – die taz auf den Buchmessen der Republik.

Deshalb sind auf den taz-Blogs mittlerweile auch Redakteure vertreten (Dominic Johnson mit „Kongo-Echo”), Korrespondenten wie Karim El-Gawhari mit „Arabesken” aus Kairo oder das „Latinorama”, in dem Gerhard Dilger und Kollegen aus Lateinamerika berichten.

Fressen und Gefressenwerden

Dass der langjährige taz-Autor und -Aushilfshausmeister Helmut Höge gleich von Beginn an bloggte, ist indes kein Wunder – seine Artikel für die Printausgabe überragen die vorgesehene Zeilenlänge oft um ein Vielfaches.

Im Blog hingegen muss nie gekürzt werden, weshalb Höge dann eben dort seine „langen Riemen” (gefühlte Scrolllänge 1,50 Meter) platziert, etwa über „Anommatoptera hoegei”, die Gespenstschrecke.

Über das tägliche Fressen und Gefressenwerden in den Sümpfen und Wüsten der Welt bloggen die „Lesebühne”-Autoren Heiko Werning (Reptilienforscher) und Jakob Hein (Kinderpsychiater).

Hans Cousto klärt in der „Drogerie” über die legalen und illegalen Highs & Downs auf. Im Blog „Monarchie & Alltag” serviert Christian Ihle regelmäßig aktuelle popkulturelle Betrachtungen.

Und Musik auf die Ohren gibt’s vom Ex-tazler und Radiomann Detlef Berentzen als Blogger „Dr. Feelgood”.

MATHIAS BRÖCKERS, Kulturredakteur von 1980 bis 1991, berät die taz bei ihrer digitalen Entwicklung und ist seit 2006 Blogwart der taz Blogs auf taz.de.

Eine (kleine) Auswahl:

 

» Reptilienfonds | Heiko Werning (Schriftsteller & Reptilienforscher) und Jakob Hein (Schriftsteller & Kinderpsychiater) über das tägliche Fressen und Gefressenwerden.

 

» Dr. Feelgood | Detlef Berentzen verbreitet hier "Newz" der anderen Art. Gute zum Beispiel. Macht die Welt hör-und lesbar.

 

» Latin@rama | Lamas & Piranhas, Cumbia & Macumba: Das Latinorama-Kollektiv bringt Abseitiges, Aktuelles und Amüsantes aus und über Amerika.

 

» Prinzenbad | Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur und Gedanken unter der Dusche – die taz-Freischwimmer bloggen.

 

» Mellow Town | ...ist eine Metropole des Jazz wie Berlin. Der Blog hört, sieht, spürt Jazz und schreibt ihn auf.

 

» Streetart | Geklebtes, Geschriebenes, Gesprühtes – es gibt Vieles was die Straßen der Stadt erobert.

 

» Meistersteins Doppelpack | Zwei Filme - ein Thema. Das kleinste Kurzfilm-Magazin der Welt.

 

» Riotmama | Jacinta Nandi, superfeministische alleinerziehende Engländerin, bloggt über Deutschland und die Deutschen.

 

» Context is Half the Work | Seeing comes before words, and culture can be defined at any given moment.

 

» Netizen Journalism | Exploring the impact of the net on journalism and toward a more participatory citizenship.

 

» Wienblog | Wolfgang Koch über den letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

 

» Der Datenscheich | Datamining statt Ölsuche – Geschehnisse im Nahen Osten, zur Hälfte aus der Zukunft empfangen.

 

» Wortistik | Neue Zeiten brauchen neue Wörter. Doch wer trennt die Spreu vom Weizen? Detlef Gürtler!

 

» jottwehdeh | Janz weit draußen, im Dorf Reichenow in Märkisch Oderland.

 

» Der Aushilfshausmeister | Helmut Höge bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

 

» Drogerie | Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

 

» Arabesken | Karim El-Gawhary schreibt, filmt und sammelt Töne rund um die Arabische Welt.

 

» Kongo-Echo | Überraschendes und Unterschwelliges aus dem Herzen Afrikas – von taz-Afrikaredakteur Dominic Johnson.

 

» Auf der Borderline… | Joachim Lottmanns Leben als Deutschlandreporter. Frauen, Sex, Joyce.

 

» Ökosex | Martin Unfried über emotionale Klimaintelligenz, Kultur und Emotion von solarer Effizienz, und Ökologie.

 

» filmanzeiger | Texte, Töne und Schnipsel aus dem kinematografischen Raum auf der Leinwand und davor.