taz freundlich übernommen: Journaille, einpacken!

Literaten, Frauen, Feinde, Homos und Ossis haben die taz gekapert. Jetzt kommen die AktivistInnen des Wandels.

Literatentaz 1987: Elfriede Jelinek, Libuse Monikova und Erich Kuby diskutieren. Bild: taz/Annette Lesniewski

Die taz lässt sich ab und zu erobern, von Fremden, Außerhäusigen. In der kommenden Woche ist es wieder einmal so weit: Diesmal sind es die VerfechterInnen des alternativen Wirtschaftens, die einen Weg suchen jenseits des Wachstumszwangs.

Sie übernehmen die taz am Wochenende für eine Ausgabe. Was hatten wir da nicht schon alles an freundlichen Usurpatoren. Die 18-Jährigen kamen mit Rucksäcken, zogen von der taz gleich zum nächsten Wochenendcamp, warfen alle Regeln um. Ein bisschen Klischee der Jugend, hatte aber Schwung.

„Den größten Rummel gab es bei der Feindes-taz – schon im Vorfeld“

Die 68er brachten zum Teil ihre Grabenkämpfe mit – aber auch ihre Erfahrung: Schon im Vorfeld gab es Moderatoren, die unversöhnliche Kampfhähne auf verschiedene Zeitungsseiten verteilt hatten. Auch ein wenig Klischee, funktionierte aber lebhaft und reibungslos.

Bei der Übernahme durch Ostdeutsche saß eine junge Dame aus Dresden namens Katja Kipping in meinem Büro und machte durch ihre klare, ruhige Art auf sich aufmerksam. Die SchriftstellerInnen im Jahr 1987 (die Kulturredaktion hatte keine Lust über die Buchmesse zu berichten und holte sich die SchriftstellerInnen lieber direkt ins Haus) gaben vielleicht den schönsten Lesestoff. 

Die Feinde der Redaktion in der Redaktion

Nicht alle hatten aber journalistische Wurzeln. So kamen manche ins Schlucken, als sie realisierten, dass ein Redaktionsschluss von 17 Uhr nicht 17.10 Uhr ist. Und dass danach die Druckmaschinen in Frankfurt anlaufen, egal, ob da noch eine wichtige Änderung rein sollte oder nicht.

• 1987: SchriftstellerInnen-taz – statt Buchmesse

 

• 1989: Ehemaligen-taz – mit Ströbele

 

• 1991: taz der Welt – alles, nur nicht Deutsch

 

• 1994: Homo-taz – völlig lusbisch-schwel

 

• 1996: Karikaturen-taz – gezeichnet, nicht getippt

 

• 1997: Jugend-taz – Jahrgang 79 macht Zeitung

 

• 1998: 68er-taz – wieder mit Ströbele und manch Zoff

 

• 1999: Ehemaligen-taz (II)

 

• 2003: Feindes-taz – Diekmann & Freunde servieren Kohl

 

• 2004: Ossi-taz – nur echt mit Kipping, Ensikat und Thierse

 

• 2006: VerlegerInnen-taz – ohne Gejammer, mit Literatur

 

• 2012: Quoten-taz – Männer in die zweite Reihe

 

• 2012: GenossInnen-taz – taz-EigentümerInnen machen sich Ihre Zeitung selbst

 

• 5. 9. 2015 Wandel-taz – Zeitung des alternativen Wirtschaftens

(EBE,MSC)

Den größten Rummel gab es bei der Feindes-taz – schon im Vorfeld: soll ausgerechnet die taz zu ihrem 25. Geburtstag im September 2003 PolitikerInnen wie Jörg Schönbohm und dem damals noch frischen Bild-Chef Kai Diekmann eine Bühne bieten? Dafür wurde die taz doch wohl kaum gegründet.

Und dann am Tag selbst: mehr TV-Kameras als Chefs vom Dienst, hintenrum vorgeplante Redaktionssitzungen, eilig auf die Seite gehobene Texte. Wurde aber die meistverkaufte taz-Ausgabe aller Zeiten, ganz ohne Sex auf dem Titel, aber mit Crime: „Heute gibt’s Kohl”, so die Schlagzeile. 100.000 Stück, so die verkaufte Auflage. 

Nullwachstum und Gemeinwohl als Blattlinie

Die letzte gekaperte taz ist auch schon wieder fast drei Jahre her. Damals legten wir die Zeitungserstellung in die Hände von Journalistinnen des Vereins Pro Quote. Die forderten eine verbindliche Frauenführungsquote von 30 Prozent in Print und Funk. Seitdem hat sich allerhand in der Sache getan, vor allem bei Zeit (liegt schon bei 37 Prozent), Bild, Stern und Spiegel.

Was bringt die kommende Übernahme für die nächste taz.am wochenende? Erst einmal viele Treffen im Vorfeld. Denn das Spektrum der alternativen Wirtschaft ist weit gespannt, von der solidarischen über die Gemeinwohlwirtschaft bis zu den Verfechtern des Nullwachstums.

Da treffen theoretische Ansätze, die eine andere Wirtschaftswissenschaft an den Unis fordern, auf Praktiker, die Genossenschaften gründen; oder die Ökonomie und Ökologie von Städten transformieren. Und dann noch das Internet, wo zum Beispiel Open Source gegen die Software in der Hand einzelner Konzerne angeht.

Das alles will im Vorfeld koordiniert sein. Denn sonst sorgen die vielen Themen für überquellende Seiten am Produktionstag. 

REINER METZGER ist Co-Ressortleiter der taz.am wochenende.