Frieden in Afghanistan: Dämpfer statt Durchbruch

Während des islamischen Opferfestes gilt ein Waffenstillstand. Noch hält er. Aber es gibt Kontroversen über einen Gefangenenaustausch.

Ein Mann mit Mundschutz geht an einer Bretterwand mit den Fotos zwei Verhandler vorbei

Friedenshoffnung: US-Unterhändler Zalmay Khalilzad und Taliban-Verhandler Abdul Ghani Baradar Foto: Mohammad Ismail/rtr

BERLIN taz | In Afghanistan gehen die Menschen während des dreitägigen islamischen Opferfests Id al-Azha wieder einmal durch ein Wechselbad der Gefühle. Bei der Suche nach einer Verhandlungslösung für den Krieg gab es in den beiden vergangenen Tagen zunächst Hoffnung auf einen Durchbruch. Es schien, dass in der kommenden Woche direkte Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den aufständischen Taliban beginnen könnten.

Dann kam die kalte Dusche. In einer am Freitag früh veröffentlichten Feiertagsbotschaft an die Bevölkerung erklärte Präsident Aschraf Ghani, dass er die Freilassung weiterer 500 Taliban-Kämpfer angeordnete habe. Damit erfüllt er formal die Verpflichtung, für den Beginn von Friedensgesprächen insgesamt 5.000 Aufständische aus der Haft zu befreien.

Diese Verpflichtung war die US-Regierung in ihrem Abkommen mit den Taliban vom Februar in seinem Namen eingegangen. Die Ghani-Regierung war an diesem Abkommen nicht direkt beteiligt, aber konsultiert worden.

Die Taliban sollten im Gegenzug 1.000 gefangene Soldaten, Polizisten und Angestellte der Regierung freilassen. Sie ließen am Donnerstag verlauten, dass sie weitere 82 Gefangene nach Hause geschickt hätten, damit sie eine Gesamtzahl von 1.005 erreicht und ihre Verpflichtung eingehalten hätten.

Zum Tode verurteilt

Der Haken: Die Taliban hatten Kabul eine Namensliste derjenigen Gefangenen zukommen lassen, deren Freilassung sie verlangen. Darunter waren 597 Personen, die wegen Verbrechen wie Mord oder Anschlägen verurteilt worden waren, einige davon zum Tode.

Zu Letzteren gehören etwa Anas Haqqani, Bruder des Chefs eines wichtigen Taliban-Netzwerkes und einer der wichtigsten Finanzbeschaffer der Organisation, sowie ein gewisser Lailullah, der den Anschlag im Mai 2017 in der Nähe der deutschen Botschaft in Kabul organisiert haben soll. Dabei tötete eine Lkw-Bombe bis zu 200 Afghanen.

Die genaue Zahl der Opfer wurde nie bekannt, da die Wucht der Explosion so stark war, dass etwa vom Wachpersonal vor der Botschaft keinerlei Überreste mehr gefunden werden konnten und vor allem Passanten betroffen waren.

Deutsche Opfer soll es nicht gegeben haben, aber die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr genutzte Botschaftskanzlei, ein dreistöckiger Block, wurde zerstört.

Loja Dschirga soll entscheiden

Eine mögliche Freilassung der 597 stieß in Teilen der afghanischen Öffentlichkeit auf Ablehnung. Kabul wurde in dieser Haltung auch von europäischen Regierungen unterstützt. Nun kündigte Ghani an, über das Schicksal der Gruppe solle eine Loja Dschirga befinden, eine Zusammenkunft von Führern der ethnischen, sozialen und politischen Gruppen des Landes.

Dies zu organisieren könnte Monate dauern und, wenn die Taliban auf ihrer Namensliste beharren, den Beginn von Gesprächen verzögern. Die Regierung hält afghanischen Menschenrechtlern zufolge 10.000 bis 15.000 Taliban fest. Die Zahl der Gefangenen in den Händen der Aufständischen ist nicht bekannt.

Khalilzad besucht Pakistan und Kabul

Hoffnung gab es, da seit Freitag in Afghanistan wieder die Waffen schweigen. Mitte der Woche hatten Regierung und Taliban jeweils eine dreitägige Waffenruhe über das Opferfest angeordnet. Am Vorabend detonierte in Pul-e Alam, Hauptstadt der Provinz Logar, eine Autobombe. Mindestens 18 Menschen, darunter 8 Zivilist:innen, sollen getötet und 22 verletzt worden sein. Die Taliban dementierten noch am Donnerstag eine Urheberschaft.

Bereits Mitte Juli hatte Washington bekannt gegeben, die Verpflichtung aus der Vereinbarung mit den Taliban erfüllt und die US-Truppen in Afghanistan auf 8.600 reduziert zu haben. Die Waffenruhe geht offenbar auf neue Aktivitäten von US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad zurück, der in den letzten Tagen unter anderem Kabul und Pakistan besuchte.

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