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Friedensnobelpreis für MachadoÜber Bande gespielt

Sorgt für Ärger im Weißen Haus: Die Begründung für den Friedensnobelpreis ist ein klarer Angriff auf die autoritäre Machtergreifung der Trump-Regierung.

Diesjährige Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado: Eine Entscheidung taktisch vermutlich sogar klug Foto: Henry Chirinos/efe

Ehrungen ist María Corina Machado inzwischen gewohnt: Im vergangenen Jahr erhielt Venezuelas rechte Oppositionsführerin sowohl den Václav-Havel-Preis des Europarats als auch den Sacharow-Preis des Europaparlaments. Seit diesem Freitag gesellt sich da nun auch noch der Friedensnobelpreis hinzu – die wohl unumstritten bedeutendste politische Ehrung der Welt.

Dabei bezieht sie Legitimität weniger aus ihren eigenen politischen Positionen als vielmehr aus der brutalen Unterdrückung der Opposition in Venezuela. Die 58-Jährige gehört zur alten venezolanischen Wirtschaftselite, vertritt durchweg neoliberale Positionen, benennt Margaret Thatcher als ihr Vorbild und gehörte 2013 bis 2015 zu jenen venezolanischen Oppositionsführer*innen, die das verhasste Regime von Nicolás Maduro durchaus auch mit Gewalt aus dem Amt befördern wollten.

Auch einer internationalen Intervention zu diesem Zweck stand sie positiv gegenüber – und das auch schon, bevor nach den Parlamentswahlen von 2015 die demokratische Maske des Maduro-Regimes endgültig fiel. Damals erzielte die Opposition eine Zweidrittelmehrheit im Parlament – worauf die von der Regierung kontrollierte Justiz erst mehrere Sitze aberkannte, anschließend sämtliche Beschlüsse des Parlaments für nichtig erklärte und schließlich die Regierung eine „verfassunggebende Versammlung“ als von ihr selbst dominiertes Ersatzparlament installierte.

María Corina Machado war im vergangenen Jahr aus den Vorwahlen der Opposition in Venezuela mit überwältigender Mehrheit als Präsidentschaftskandidatin hervorgegangen – nur um dann, nicht zum ersten Mal, vom Regime mit fadenscheinigen Vorwürfen von der Wahl ausgeschlossen zu werden. Dass sie trotz der stets drohenden Verhaftung im Land blieb, rechnet ihr das Nobelkomitee als mutigen Kampf um Freiheit und Demokratie an.

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Ein Absatz in der Begründung des Nobelkomitees gibt Aufschluss über das Denken, das – mutmaßlich – zu der Entscheidung geführt haben dürfte, sich aus allen derzeit tatsächlich kriegerischen Auseinandersetzungen der Welt herauszuhalten. „Demokratie“, schreibt das Komitee, „ist eine Voraussetzung für dauerhaften Frieden. Wir leben jedoch in einer Welt, in der die Demokratie auf dem Rückzug ist, in der immer mehr autoritäre Regime Normen in Frage stellen und zu Gewalt greifen. Der starre Machtanspruch des venezolanischen Regimes und seine Unterdrückung der Bevölkerung sind kein Einzelfall auf der Welt.

Wir beobachten weltweit die gleichen Trends: Die Rechtsstaatlichkeit wird von den Machthabern missbraucht, freie Medien werden zum Schweigen gebracht, Kritiker werden inhaftiert und Gesellschaften werden in Richtung autoritärer Herrschaft und Militarisierung gedrängt.“

Es gehört schon sehr viel Ignoranz dazu, das nicht als exakte Beschreibung der Innenpolitik dessen zu erkennen, der seit Wochen davon gesprochen hat, dass es eigentlich nur einen, legitimen Friedensnobelpreisträger 2025 geben könnte, nämlich ihn: Donald Trump.

Mit María Corina Machado hat das Nobelpreiskomitee eine Preisträgerin ausgewählt, die des linken, gar „woken“ Denkens weiß Gott unverdächtig ist. Und man kann sehr begründete Zweifel daran haben, ob sie selbst als strikte Verfechterin der Demokratie wirklich vorbildhaft ist: Noch vor sechs Wochen etwa schrieb sie eine Solidaritätsadresse an die inzwischen verurteilte Jeannine Añez aus Bolivien, die sich nach dem Sturz von Evo Morales 2019 zur „Interimspräsidentin“ erklärt hatte, die angekündigten Wahlen mehrfach verschob, ohne jedes demokratische Mandat Boliviens Innen- und Außenpolitik auf rechts drehte und gegen Proteste das Militär schickte.

Möglichst wenig Angriffsfläche bieten

Auch mit Álvaro Uribe, Kolumbiens ehemaligem ultrarechten Präsidenten und vehementem Gegner des kolumbianischen Friedensabkommens – für das 2016 dessen Nachfolger Juan Manuel Santos mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war – pflegt Machado eine enge politische Verbindung.

Große politische Kohärenz ist insofern in der diesjährigen Entscheidung nicht zu entdecken – eine Logik hingegen schon: Den autoritär-faschistischen Staatsumbau der Trumps und Orbáns dieser Welt kritisieren und dem Mann im Weißen Haus gleichzeitig wenig Angriffsfläche bieten. María Corina Machado ist eine der wenigen internationalen Führungsfiguren, mit deren Ehrung das möglich ist.

Bleibt die Frage, ob diese Interpretation der von Alfred Nobel vor 130 Jahren formulierten Ziele des Friedensnobelpreises eigentlich sinnvoll ist. Das Nobelkomitee hat Frieden seit geraumer Zeit weiter gefasst als die Abwesenheit von Krieg: Unzählige Friedensnobelpreise der letzten Jahrzehnte zeugen davon – viele durchaus auch direkte Affronts gegen amtierende, insbesondere republikanischer US-Regierungen. Al Gore etwa, Bill Clintons Vizepräsident, der 2000 die Wahl nur äußerst umstritten gegen George W. Bush verloren hatte, erhielt 2007 den Friedensnobelpreis: als Chef des Weltklimarats IPCC.

Klima, Frauenrechte, Menschenrechte, Rechte Vertriebener oder Geflüchteter, das Recht auf Ernährung – all das kann völlig zu Recht als notwendige Bedingung für nachhaltigen Frieden begriffen und beschrieben werden. In Jahren der extremen Unsicherheit und des Mangels an klassischen Frie­dens­stif­te­r*in­nen taugen solche Themen durchaus auch für Friedensnobelpreise aus Verlegenheit. Es ist kein Zufall, dass so viele Unterorganisationen der Vereinten Nationen eigene Friedensnobelpreise erhalten haben; da kann man nicht viel falsch machen.

Kein Preis aus Verlegenheit

Aber der diesjährige Preis dürfte nicht aus Verlegenheit vergeben worden sein. Gerade im Jahr 2025 das Thema des weltweit geführten Angriffs auf Demokratien und Rechtsstaaten für zentral zu erklären, verdient Anerkennung.

Dass das Thema über die Bande einer rechtspopulistischen venezolanischen Oppositionspolitikerin gespielt wird, ist verständlich, taktisch vermutlich sogar klug, kann aber dennoch den Blick verstellen. Denn von einer Welle des autoritären Linkspopulismus, der sich anschickt, die Welt nach dem Vorbild Venezuelas, Kubas oder Nicaraguas umzubauen, kann derzeit nicht die Rede sein – die Offensive gegen Meinungsfreiheit, Rechtsstaat und Demokratie kommt weltweit klar von rechts, in den westlich-demokratischen Staaten des Nordens, aus deren Gedankengebäuden heraus auch das Nobelkomitee handelt, erst recht.

Das deutlicher zu benennen, hätte natürlich auch dem Nobelkomitee nicht schlecht angestanden – eigentlich. Nur hätte das die Vorstellung, das Komitee wache quasi objektiv über Werte und Rechte, noch weiter beschädigt.

Anders gesagt: Dass jemand wie US-Präsident Donald Trump unbedingt den Friedensnobelpreis haben will, ist ein ziemlich gutes Zeichen dafür, dass der Preis trotz aller Fehlentscheidungen der Vergangenheit noch immer hoch anerkannt ist.

Dass Donald Trump ihn nicht bekommt, ist allerdings noch besser.

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