Frühe Bildung: Gerangel um Grundschule

Die Schulbehörde will, dass Kita- und Vorschulkinder gleiche Chancen auf einen Grundschulplatz haben. Eine Gesetzesänderung blockieren CDU, Grüne und FDP.

Kita oder Vorschule? Kind am ersten Schultag. Bild: dpa

Was ist besser für ein fünfjähriges Kind: das letzte Jahr vor der Schule noch in der Kita verbringen, als einer der „Großen“ – oder doch lieber schon eine Vorschulklasse in der Grundschule besuchen? Der Streit ist in Hamburg nicht neu, aber gerade wieder voll entbrannt. Eltern sollten sich bei der Entscheidung nicht etwa von der Sorge um den künftigen Schulplatz drängen lassen, meint SPD-Schulsenator Ties Rabe. Per Gesetz will er deshalb Kita- und Vorschulkinder gleichstellen, wenn es um die Platzvergabe in den 1. Klassen geht.

Nötig wurde das wegen einer Gerichtsentscheidung vom Juli: Geklagt hatten vier Eltern, deren Kinder eine Vorschule besuchten, aber nicht an der selben Schule in die 1. Klasse kamen. Genau das klappt aber in der Regel: In 95 Prozent der Fälle kommen Hamburger Kinder auf die favorisierte Schule. Ansonsten gilt eine Rangfolge: Zuerst werden Härtefälle berücksichtigt, dann Kinder, die bereits Geschwister auf der Wunschschule haben.

Es folgen Kinder, die einen kurzen Schulweg haben – und erst an vierter Stelle die Vorschulkinder. Wobei diese häufig „auch nah dran wohnen“, sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht. Das Gericht habe aber nun mal entschieden, das im Gesetz erwähnte Kriterium müsse immer zum Zuge kommen.

Von den rund 14.000 Kindern eines Jahrgangs wechselt im letzten Jahr vor der Einschulung etwas mehr als die Hälfte in die Vorschule, die anderen bleiben in der Kita.

Für beide Bildungsorte gelten die gleichen Bildungsempfehlungen. Seit 2011 haben sich über 500 Kitas mit dem "Kita-Brückenjahr" zu Eckpunkten und Qualitätskriterien für die Vorschularbeit verpflichtet.

Die Fünfjährigen lernen schon Zahlen, Mengen und Formen kennen, üben, etwas zu erzählen und lernen erste Buchstaben und Worte kennen.

Seit 2008 ist die Zahl der Vorschulkinder von 5.824 auf 6.905 gestiegen.

Es werden aber immer mehr Kinder angemeldet als tatsächlich die Vorschule besuchen. In 800 bis 900 Fällen entscheiden sich die Eltern schließlich doch für die Kita.

In der Praxis, befürchtet die Behörde, könnten bei gleich langem Schulweg Kita-Kinder gegenüber denen aus der Vorschule benachteiligt werden. Was dazu führt, dass Eltern sich unter Druck gesetzt sehen könnten, ihr Kind zur Vorschule zu geben.

Spät am Dienstagabend hat die Sache zu einer Krise im Schulausschuss geführt: Gegen 23.30 Uhr schloss der Ausschussvorsitzende Walter Scheuerl, parteilos für die CDU im Parlament, die Sitzung und lehnte eine von der SPD beantragte Sondersitzung mitsamt Expertenanhörung in der zweiten Dezemberwoche ab.

Zuvor hatten die Fraktionen von CDU, Grünen und FDP durchgestimmt, dass es eben diese Anhörung geben soll. Die Folge: Die geplante Verabschiedung des Gesetzes in der ersten Bürgerschaftssitzung im Januar ist blockiert, denn es gibt bis dahin keinen Termin für das obligatorische Hearing.

„CDU, Grüne und FDP stoppen Änderung des Schulgesetzes“, schrieben die drei Fraktionen tags drauf über ihre Pressemitteilung. Man wolle den Eltern aller derzeitigen Vorschulkinder „Vertrauensschutz“ gewähren. Scheuerl habe seine Kompetenzen „eindeutig überschritten“, sagt dagegen der SPD-Abgeordnete Lars Holster.

Der Ausschussvorsitzende hätte der SPD nicht verbieten dürfen, über die Sondersitzung abzustimmen. Die Sozialdemokraten hätten Beschwerde bei der Bürgerschaftskanzlei eingelegt. Holster hofft, dass die CDU einlenkt und im Dezember doch noch einen Termin zulässt. Andernfalls sei es mit dem Gesetz für die neue Grundschul-Anmelderunde zu spät.

Scheuerl beruft sich auf die Geschäftsordnung des Parlaments: Der SPD-Antrag war nicht auf der Tagesordnung und hätte nur gestellt werden dürfen, wenn keine Fraktion dagegen ist – und dem war nicht so.

„Kommt es nicht zu einer Änderung, herrscht für Eltern große Unsicherheit, ob sie durch die Vorschul-Anmeldung einen Vorteil haben“, sagt Rabes Sprecher Albrecht. Spätestens im April, wenn die Klassen gebildet werden, brauche man „eine Lösung“.

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