Fünf Jahre Lampedusa in Hamburg: „Meine Zukunft ist ein schwarzes Loch“

Fünf Jahre nach der Gründung der Gruppe, ist ihre Zukunft immer noch ungewiss. Krismani, ein 18-Jähriger aus Ghana erzählt.

Will nicht erkannt werden: Der Hamburger Lampedusa-Flüchtling Krismani Foto: Miguel Ferraz

Ich verstehe das nicht. Warum kann ich nicht selbst über mein Leben bestimmen? Ich bin erst 18 und wenn ich an meine Zukunft denke, ist da nur ein schwarzes Loch. Ich habe nichts, keine Familie, keine Freunde, keinen Job.

Schon immer haben andere für mich entschieden. Ich bin in einem Waisenhaus in Ghana aufgewachsen, meine Eltern starben, als ich klein war. Ich wurde von einer Familie aufgenommen, die mich allerdings nicht gut behandelt hat. Dort fühlte ich mich allein, und so habe ich schnell Hoffnung geschöpft, als ein Bekannter versprach, mir einen Job in Libyen zu verschaffen. Ich könnte dort ein selbstständiges Leben führen und gutes Geld verdienen, hieß es.

Ich habe ihm geglaubt und so bin ich 2016 abgehauen, da war ich 15 Jahre alt. Doch als ich in Libyen ankam, konnte ich den Mann, der mir eigentlich helfen wollte, nicht mehr erreichen. Ich vermute, dass er von Milizen getötet wurde. Und so war ich wieder allein in einem fremden Land, bin durch die Straßen geirrt.

Doch schon bald haben mich ein paar arabische Männer angesprochen und mich zu der Reise nach Italien überredet. Vielleicht ist „überredet“ nicht das richtige Wort, denn was sie erzählten, klang wirklich gut: Sie sagten, ich hätte in Italien ein sicheres Leben, es gäbe dort Menschen, die sich um Leute wie mich kümmern. Die Überfahrt mit dem Boot hat drei Tage gedauert. Ich denke nicht gern daran zurück. In Italien angekommen, wurde ich nach Mailand gebracht, wo ich anderthalb Jahre in einem Flüchtlingsheim gelebt und eine Schule besucht habe.

18, ist in Ghana geboren und über Libyen nach Italien gereist, wo er eine Schule besuchen konnte. Weil er dort hinausgeworfen wurde und auf der Straße leben musste, kam er 2017 nach Deutschland

Ich bin ein ruhiger Typ, ich habe immer genau das getan, was von mir verlangt wurde. Doch Ende 2017 warf man mich aus der Unterkunft, ohne mir zu erklären, warum. Die wollten mich einfach loswerden. Ich habe dann ein paar Monate auf der Straße gelebt, bis ich mir von zusammengespartem Geld ein Zugticket nach Deutschland gekauft habe. Ich wusste einfach nicht, wo ich sonst noch hin sollte. Und andere Flüchtlinge haben immer so positiv von Deutschland gesprochen. Nach Hamburg bin ich gefahren, weil ich von der Lampedusa-Gruppe wusste.

Am Steindamm sind viele Leute unterwegs, die Twi sprechen, meine Muttersprache. Hier bekomme ich Infos, hier finde ich einen Schlafplatz für die Nacht. Doch was ist das für ein Leben? Ich bin noch immer auf der Straße, weiß nicht, wie es weitergehen soll. Aber ich habe zu große Angst davor, mich zu melden. Ich will nicht zurück nach Italien. Da ging es mir noch schlechter als hier. Jetzt bin ich voller Wut, auf die italienischen Behörden und auf das Asylsystem in Europa. Das alles ergibt keinen Sinn für mich.

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