Funk-Musiker über Identität: „Inspiration finde ich beim Essen“

Ahmed Gallab floh als Kind aus dem Sudan in die USA. Früher hörte er Jazz und Punk. Sein neues Album „Life & Livin’ it“ will Hoffnung verbreiten.

Weit gereist und vielfältig beeinflusst: Ahmed Gallab Foto: City Slang

Sinkane ist eine Band zwischen Soul, Pop und weiteren Einflüssen. Für diese Mischung zuständig ist ihr Mastermind und Sänger Ahmed Gallab. Der New Yorker wanderte, zunächst in London geboren, als Kind mit seinen politisch verfolgten Eltern aus dem Sudan in die USA ein. Als Live-Musiker sammelte der Multiinstrumentalist mit der Falsettstimme Erfahrungen mit sehr unterschiedlichen Künstlern: Of Montreal, Caribou oder auch Eleanor Friedberger. Mit Sinkane veröffentlichte er bisher sechs Alben, „Mars“ brachte 2012 den Durchbruch. Zwei Jahre später erschien „Mean Love“, bei dem er sogar aus dem Country-Repertoire zitierte. Auf dem neuen Album „Life & Livin’ It“ ist die lebensbejahende Synthese von Disco, Soul, afrikanischen Rhythmen, Krautrock und Singer-Songwriter-Folk auf Hochglanz poliert. Trotz wachsenden Erfolgs mit Sinkane lässt sich Gallab immer noch vom Zusammenspiel mit anderen Künstlern inspirieren, etwa als Bandleader der Supergroup Atomic Bomb! Band, die die Musik der nigerianischen Funklegende William Onyeabor auf Konzertbühnen bringt.

taz.am wochenende: Ahmed Gallab, Ihr neues Sinkane-Album trägt den Titel „Life & Livin’ it“. Was bedeutet es, das Leben zu leben?

Ahmed Gallab: Darauf gibt es natürlich keine allgemeingültige Antwort. Mir ging es darum, über eigene Erfahrungen zu reflektieren. Zum Beispiel, wie schwer es für mich als Kind sudanesischer Einwanderer war, herauszufinden, wo ich stehe. Fragen von Identität, aber auch die Auseinandersetzung mit Religion waren ein großes Thema. So geht es wohl vielen, die fern ihrer Heimat aufwachsen.

Sie haben mit Musikern ganz unterschiedlicher Genres gearbeitet. Als musikalischer Leiter der Tribute-Band Atomic Bomb! Band arrangieren Sie nigerianischen Funk. Auch bei Ihrem Songwriting für Sinkane sind afrikanische Einflüsse präsent. Was hat Musik zu Ihrer Identitätsfindung beigetragen?

Sehr viel, auch über meinen Migrationshintergrund hinaus. Als Teenager in Ohio fühlte ich mich zum Hardcore-Punk hingezogen. Ich fühlte mich als Außenseiter und traf andere Außenseiter in der Punkszene. Über Musik habe ich auch immer eine Verbindung in den Sudan, auch wenn es elf Jahre her ist, dass ich zuletzt dort war. (Kurz nach dem Interview erschien auf dem Internetportal „Africa Is A Country“ eine von Gallab kompilierte hörenswerte Playlist sudanesischer Musik; Anm. d. Red.).

In einem Interview erzählten Sie einmal, dass Sie in Ihren frühen Zwanzigern monatelang nur zwei sehr unterschiedliche Alben gehört haben und davon inspiriert wurden, eigene Musik zu machen: das Avantgarde-Jazz-Album „Karma“ von Pharoah Sanders und „Discreet Music“, Brian Enos Annäherung an Ambient. Wo suchen Sie heute Anregung?

Inspiration finde ich heute überall, nicht nur in der Musik. Im Alltag in New York zum Beispiel. Und ganz besonders beim Essen. Kochen ist eine beglückende Erfahrung für mich. Ich sehe viele Parallelen zum Musikmachen. Einen guten Song zu schreiben und eine gute Mahlzeit hinzubekommen – da besteht eine enge Verbindung. Essen kann eine gemeinschaftliche Erfahrung sein, Musik ebenso. Außerdem finde ich es gerade sehr anregend, auf technischer Ebene dazuzulernen. Zum ersten Mal seit Langem nehme ich etwa Schlagzeugunterricht.

Sie haben immer betont, dass Sie sich nicht zu politischen Fragen äußern, dass Sie mit Ihrer Musik diesen Themen ­entfliehen wollen. Halten Sie das angesichts der Situation in den USA für die richtige Strategie?

Ich bin in diesem Punkt inzwischen entspannter und grenze mich nicht mehr so kategorisch ab. Meine Haltung hatte auch damit zu tun, dass ich in einem hochpolitisierten Haushalt aufgewachsen bin. Ich habe jedoch immer noch nicht das Gefühl, dass ich mich politisch äußern muss, es ist ein Minenfeld. Das Thema Donald Trump finde ich ungeheuer frustrierend, vor allem, weil er so sehr von Angstmacherei profitiert. Meine Familie fand vor einer sehr gefährlichen Situation in den USA Zuflucht. Wenn ich erlebe, wie über ein Land wie Sudan nur noch im Zusammenhang mit Terrorismus gesprochen wird, wirkt das auf mich sehr uninformiert. Diese Art von Rhetorik entmutigt mich. Alles, was ich darauf entgegnen kann: Meine Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie falsch Trump liegt.

Sinkane: „Life & Livin it“ (City Slang/Universal)

War und ist live zu sehen: 2. 4. Volksbühne, Berlin; 3. 4. Gebäude 9, Köln, 4. 4. Karlstorbahnhof, Heidelberg; 5. 4. Kammerspiele, München

Der Refrain des Songs „U’Huh“ wirkt wie das Herzstück des Albums „Life & Livin’ it“. Sogar Ihre Merchandise-T-Shirts haben Sie mit dem Schriftzug „Kulu shi tamaam“ bedrucken lassen, arabisch für „Alles ist gut“. Glauben Sie das wirklich oder ist dies ein Mantra, mit dem Sie Trost suchen oder eventuell auch spenden wollen?

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Dinge zum Positiven entwickeln werden. Am besten wird man mit einer Situation, wie wir sie gerade erleben, fertig, indem man eine optimistische Haltung entwickelt. Ich habe sogar das Gefühl, dass es als öffentliche Person meine Pflicht ist, Menschen zu vermitteln, wie man sich diesen Ausblick bewahrt. Dass die Situation schlimm ist, ist wirklich nichts Neues in der Menschheitsgeschichte. Wenn wir unsere Eltern oder Großeltern fragen, erzählen sie von Wirtschaftskrisen, dem Vietnam- oder dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem gab es immer wieder Grund zu Hoffnung. Menschen können auf wunderbare Weise mit Krisen umgehen. Wir sind sehr widerstandsfähig. Ich möchte jemand sein, der Hoffnung gibt.

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