Funkzellenabfrage in Berlin: Zu tief ins Handy geguckt

Berlins oberster Datenschützer verteilt eine Ohrfeige: Ermittlungsbehörden haben Verbindungsdaten von Mobiltelefonen über die Maßen angezapft.

Da ist wohl eher die Müllabfuhr gefordert. Bild: AP

BERLIN taz | Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix hat der Polizei und der Staatsanwaltschaft ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt: Bei der Stichprobenprüfung von Funkzellenabfragen, die die beiden Behörden zwischen 2009 und 2011 vornahmen, habe er „gravierende Mängel“ festgestellt, teilte Dix am Dienstag mit.

In einer ersten Reaktion erklärte Justizsenator Thomas Heilmann: „Wenn der Staatsanwaltschaft eine fehlerhafte rechtliche Abwägung vorgeworfen wird, sind das massive Vorwürfe.“ Heilmann versprach eine gründliche Prüfung.

Der Bericht ist Wasser auf die Mühlen der Opposition. Die hatten die Datensammelwut der Ermittler in den letzten Monaten wiederholt moniert. Bei der letzten Sitzung des Innenausschusses Ende August forderten Piraten und Linke, von Funkzellenabfragen grundsätzlich keinen Gebrauch mehr zu machen.

In derselben Sitzung hatte Innensenator Frank Henkel (CDU) eine Bilanz der Funkzellenabfragen veröffentlicht: Danach fragte die Polizei zwischen 2009 und 2012 über 6,6 Millionen Datensätze von Mobilfunkprovidern ab. In 5.383 Fällen wurde laut Henkel der Inhaber des Telefonanschlusses ermittelt, in 116 Fällen gab es Hinweise, die zu neuen Ermittlungen führten.

Der Datenschutzbeauftragte hatte sich zur Überprüfung von Funkzellenabfragen bereits im Januar 2012 entschlossen. Damals war bekannt geworden, dass die Polizei über Jahre hinweg massiv von der Maßnahme Gebrauch gemacht hatte, um Autobrandstiftern auf die Spur zu kommen. In seinem 20-seitigen Bericht bezweifelt Dix, dass die Funkzellenabfragen zur Aufklärung von Kfz-Brandstiftungen geeignet waren. „In keinem einzigen dieser Fälle“ habe ein Täter ermittelt werden können.

Aber das ist nicht seine einzige Kritik: Dix hat 108 Ermittlungsakten überprüft – bei mehr als der Hälfte davon ging es um Kfz-Brandstiftung und „Enkeltrick“-Betrug. Die in Paragraf 100a Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) geregelte „nichtindividualisierte Funkzellenabfrage“ darf aber nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung erfolgen. Die Maßnahme unterliegt dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und steht unter Richtervorbehalt – sie muss also von einem Richter genehmigt werden. „Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Funkzellenabfrage erfolgte in der Regel unzureichend und zum Teil überhaupt nicht“, so Dix.

Löschfristen nicht beachtet

Konkret listet er zwei Fälle auf, wo der Antrag der Staatsanwaltschaft eindeutig „unzulässig“ war. So wurde etwa bei einem Handtaschenraub eine Funkzellenabfrage gemacht, obwohl der flüchtende Täter die Beute wegwarf und diese dem Opfer übergeben werden konnte. Bei der Tat sei es nur zu einer leichten Körperverletzung gekommen. Um eine Straftat von erheblicher Bedeutung nach Paragraf 100 StPO handelte es sich also nicht.

Grundsätzlich kritisiert Dix, dass die vorgeschriebenen Löschfristen für aus Funkzellenabfragen erlangten personenbezogen Daten „nicht regelmäßig beachtet“ wurden. Von Abfragen Betroffene seien „im Allgemeinen nicht von der Maßnahme benachrichtigt“ worden. Dem Justizsenator gibt Dix die Empfehlung, die Mängel per Dienstanweisung abzustellen. Die Rechte der Betroffenen in den zurückliegenden Verfahren müssten „unverzüglich“ umgesetzt werden.

Sachsen hat eine Bundesratsinitiative gestartet, in der die Voraussetzungen für Funkzellenabfragen konkretisiert werden sollen. Dix empfiehlt dem Land Berlin, sich dieser Initiative anzuschließen. Darüber hinaus sollten Berichtspflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber den Parlamenten und den Landesdatenschutzbeauftragten festgelegt werden.

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