Fußball-WM 2026: Soll die Weltmeisterschaft den USA entzogen werden?
US-Präsident Trump droht politisch missliebigen Gastgeberstädten dreist mit WM-Entzug. Das wirft eine grundsätzliche Frage auf. Ein Pro und Contra.

Ja!
Nein, Sie haben nichts verpasst. Eine Fußballweltmeisterschaft kann nach den derzeitigen Statuten der Fifa keinem Land entzogen werden, das extrem ins Autoritäre oder gar Totalitäre kippt. Eine Änderung ist auch nicht in Sicht. Im Gegenteil, die letzten WM-Bewerbungsphasen zeigen, es wirkt sich eher begünstigend aus, wenn solvente Kandidaten ihren Willen der Bevölkerung aufzwingen und Menschenrechte mit Füßen treten können. Zum Spielball der Despoten wird dieses aufgepimpte Sportevent immer mehr, weil seine Wächter erkannt haben, wie viel Geld diese für das prächtige Propagandatool übrig haben.
Wäre es aber nicht dringend geboten, Grenzen zu ziehen, um diese Entwicklung einzuhegen? Unbedingt! Die Fifa muss ihre Statuten dahingehend ändern und den USA und ihrem Präsidenten Donald Trump die WM entziehen. Die Grenzen sind bei Weitem überschritten. Während Gastgeber Katar noch Menschenrechtskritik zum Anlass nahm, um für den guten WM-Schein Gesetze minimal zu liberalisieren, nutzt Trump dieser Tage die WM willfährig als Instrument, um diejenigen einzuschüchtern, die sich seiner menschenrechtsverachtenden Politik in den Weg stellen. Boston und anderen WM-Ausrichterstädten drohte er mit Entzug des Turniers, sollten diese seinen Nationalgardisten nicht freie Hand lassen.
Ein Anruf bei seinem Freund Gianni Infantino würde genügen, warnte er. Dessen kann er sich gewiss sein, weil ihm der Fifa-Chef schon seit seinem Amtsantritt untertänigst und voller Dankbarkeit hinterherdackelt – sogar bis zum Gaza-Gipfel nach Ägypten diese Woche. Deshalb kann der Schwanz nun mit dem Hund wedeln. Die Fifa hat sich unter der Führung von Infantino selbst entmachtet.
Menschenrechtsvereinbarungen vor Turnieren sind eh nur noch lächerliche Staffage. Es ist aber auch nicht mehr mit WM-Boykottaufrufen aus der Schmollecke getan, in der es sich alle gemütlich machen können. Es braucht einen Aufstand derjenigen, die den Fußball nicht autoritären Mächten überlassen wollen. So prekär war die Lage schon lange nicht mehr. Es bedarf mindestens einer Debatte über den WM-Entzug. Johannes Kopp
Nein!
Die Fußball-WM der Männer 2026 findet in Nordamerika statt. Zwei Stadien stehen in Kanada, drei Stadien in Mexiko und elf Stadien in den USA. So ist die Macht im Augenblick leider verteilt.
US-Präsident Donald Trump droht nun damit, US-Städten, die sich seiner autoritären Politik nicht beugen wollen, die WM-Austragung abzunehmen. Dies ist ein Verstoß gegen die Fifa-Regeln, aber ich mag mich darüber nicht aufregen. Der Weltfußballverband pflegt nämlich mit seinen Ausrichterverträgen Unverschämtheiten durchzusetzen: Steuerfreiheit für seinen Verein, exklusive Rechte für die Fifa-Sponsoren, Einschränkung von Versammlungsfreiheit, Aneignung öffentlicher Infrastruktur. Damit kommt die Fifa überall durch, weil sie die Welt mit ihrer wertvollen Ware „FIFA World Cup“ beglücken möchte und weil sie Monopolist ist.
Dass Donald Trump nun gegen demokratisch regierte Städte vorgeht, ist ein Skandal. Aber ein Widerstand dagegen, der sich argumentativ nur auf die Regeln der Fifa stützt, taugt nichts. Eine solche Art von Protest lebt vielmehr von der zwar theoretisch beerdigten, aber im Diskurs quicklebendigen Lüge vom Sport, der anders und besser sei als die böse Politik und ansonsten nicht viel mit ihr zu tun hat.
Die Fifa ist jedoch ein weltpolitischer Akteur, und zwar ein – gelinde gesagt – sehr unsympathischer. Bei der 2026er-WM kann sie ihre Macht besonders gut ausspielen, weil sie eine Kumpanei mit dem Weißen Haus eingeht – wie auch Donald Trump seine Macht vergrößern will, indem er sich bei der Fifa anwanzt.
Neu ist so etwas nicht. Die Fußball-WM der Männer fand 1934 im faschistischen Italien statt, 1978 in der Militärdiktatur Argentiniens, wir hatten sie 2018 in Russland und 2022 in Katar. Nur der Takt dieser Arschlochkumpanei wird kürzer (bis zur WM in Saudi-Arabien sind es nur noch 9 Jahre). Jede dieser WMs war für sich ein Skandal, aber immer hätten wir lernen können, dass unser politischer Protest sich nie auf die Fifa und ihre, haha, „Werte“ stützen sollte. (Und auf das Internationale Olympische Komitee übrigens auch nicht. Aber das ist eine ganz gleiche Geschichte.)
Martin Krauss
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