Fußball in Belarus: Seltsam populär

In Alexander Lukaschenkos Land läuft die Liga weiter, als gäbe es kein Corona. Man fühlt sich wohl in der Rolle als fußballerischer Nabel der Welt.

Pokalstimmung in Belarus: Der FK Sluzk empfängt das Team aus Masyr Foto: Vasily Fedoshenko/Reuters

Am Samstag steigt das „heißeste Derby der Fußballwelt“. So bewirbt Dinamo Minsk die Partie am zweiten Spieltag der höchsten Liga von Belarus gegen den Lokalrivalen FK auf Twitter. Nachdem man festgestellt hat, dass sich die ganze Welt fragt, warum in Belarus noch Fußball vor Publikum gespielt wird, fangen die Klubs und Sportmedien an, sich einen Spaß aus der Coronaignoranz zu machen.

Wenn das Sportportal Tribuna darüber berichtet, dass sich sogar die New York Times schon mit dem Fußball in Belarus befasst hat, dann klingt das fast schon ein wenig stolz. Auch dass die Zitate von Staatspräsident Alexander Lukaschenko, nach denen die Pandemie eine Psychose sei und man sich am besten auf dem Traktor oder durch das Konsumieren von Wodka vor dem Virus schützen könne, ihren Weg in die Welt gefunden haben, wird mit einer gewissen Genugtuung berichtet.

Sportlich gibt es wenig Gründe, ein Spiel der höchsten Liga in Belarus anzuschauen. Ein Augenzeuge, der anonym bleiben möchte, schilderte der taz seine Eindrücke vom Auftaktspiel des Traditionsklubs Dinamo Minsk in der höchsten Spielklasse am vergangenen Freitag. Das 0:1 gegen Ruch Brest muss den Schilderungen zufolge ein ziemlich grauenhafter Kick gewesen sein. Offiziell wurden 1.800 Zuschauer gezählt. Die haben sich nicht etwa gut verteilt im 22.000 Zuschauer fassenden Olympiastadion. Auf der Hauptribüne hätten sich die meisten Zuschauer aufgehalten. In der Fankurve haben gut 100 Ultras einen Block gebildet und eng beieinanderstehend ihren üblichen Zirkus veranstaltet.

Hinweise, wegen der Pandemie Abstand zu halten, seien nirgendwo am Stadion zu finden gewesen. Karten für das Spiel gab es an zwei Schaltern in einem Verkaufscontainer. Wer sich da angestellt hat, achtete in der Regel nicht auf die Einhaltung eines gesundheitssichernden Abstands. Corona ist abwesend, wenn gekickt wird.

Verschlossene Türen

Wer ein paar Tage vorher die Partie in der osteueropäischen Eliteliga im Basketball zwischen Tsmoki Minsk und Parma Perm sehen wollte, der stand vor verschlossenen Türen. Die russische Mannschaft war nicht angereist. Dass das etwas mit der Corona­pandemie zu tun haben könnte, stand nirgends. Der Gegner sei nicht angetreten, hieß es nur.

Dass das Virus Belarus trotz Traktorfahren und Wodka nicht verschont hat, ist den Menschen im Land durchaus bewusst. Noch glaubt man da, die Ausbreitung des Virus verhindern zu können, indem man die Infizierten und ihr Umfeld identifiziert und in die Isolation in Kliniken schickt. Dass eine Art Ausnahmezustand im Land herrscht, merken die Bewohner von Minsk vor allen an der stark erhöhten Polizeipräsenz in der Stadt.

Die Profis der Eliteliga trainieren derweil weiter. Vor allem Legionäre werden aus dem Ausland angerufen und sollen sagen, wie sie es finden, dass sie noch immer spielen müssen. Einer von ihnen ist der Bosnier Bojan Nastić, der für Bate Borissow spielt. „Ich bin Profi“, sagt er. „Ich muss spielen, sonst werde ich nicht bezahlt. Wir sind hier keine großen Namen, wir haben keine Wahl.“ Das Sportportal Tribuna sammelt derartige Statements, die so zurückgespielt werden nach Belarus.

Auch Dmytro Ryschuk, der ukrainische Verteidiger von FK Minsk, kommt so in diesen Tagen zu nie gekanntem Ruhm. Er wurde gefragt, wie er denn die neue Popularität der Liga finde. „Seltsam“ sei das, sagt er. Aber: „Auch wenn die Lage schwierig ist, hat Belarus in gewisser Weise seine Vorteile.“

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