Fußball in der Oberliga: Im Stadion soll wieder die Post abgehen

Völlig überraschend will Tennis Borussia das verwilderte Poststadion in Berlin-Moabit übernehmen und als Arena mit 16.000 Sitzplätzen herrichten. Der Charlottenburger Verein erhofft sich dadurch mehr Besucher

Es scheint, als erwachten im Frühling 2008 nicht nur die Gefühle der Menschen, sondern auch diverse Pläne zur Wiederbelebung maroder Fußballstadien. Nachdem der 1. FC Union aus Köpenick den Antrag stellte, der Senat möge dem Verein die baufällige "Alte Försterei" zwecks Sanierung überlassen (taz berichtete), überrascht nun Tennis Borussia (TeBe) mit dem sensationell anmutenden Projekt, das baufällige Poststadion in Moabit zu übernehmen und zu modernisieren. "Wir könnten schnell mit dem Bau anfangen. Wir haben Zusagen von Banken für die Finanzierung und Investoren an der Hand", erklärte TeBe-Aufsichtsratschef Willy Kausch.

Noch ist der Oberligist im Charlottenburger Mommsenstadion beheimatet. Doch im Schatten des großen Nachbarn Hertha BSC aus dem Olympiastadion fühlen sich die "Veilchen" in ihrem Wachstum behindert. Meist verlieren sich nur wenige hundert Fans auf den Rängen des "Mommse". Im Berliner Zentrum, wo die Veilchen schon vor 1945 Wurzeln schlugen und Sepp Herberger in der Weimarer Republik im TeBe-Trikot stürmte, rechnet Borussia mit deutlich mehr Resonanz.

Unternehmer Kausch sieht gute Chancen, in einem modernen Poststadion neue Fans und Sponsoren in die früher zweitgrößte Kampfbahn der Metropole zu locken. Einst boxte Max Schmeling in der 50.000-Plätze-Arena. Adolf Hitler verlor an dieser Stelle die Lust am Fußball, als Deutschland bei den Olympischen Spielen 1936 gegen Norwegen mit 0:2 aus dem Turnier ausschied. Doch seit Jahren fristet die Arena aus den 20er-Jahren ein Schattendasein, die Natur eroberte große Teile zurück, halb ausgewachsene Bäume stehen auf den einstigen Rängen.

TeBe hat bei einem renommierten Architekten, der noch nicht genannt werden möchte, den Entwurf für ein reines Fußballstadion anfertigen lassen; der Plan liegt der taz vor. Ein Baukonzern steht Spaten bei Fuß. "Im November haben wir das Projekt dem Senat vorgestellt", erzählt Kausch, und der habe positiv reagiert.

Und so sähe die neue TeBe-Heimat aus: In das vergammelte Poststadion wird ein Schmuckkästchen für 16.000 Zuschauer implantiert. Die Leichtathletik-Laufbahn entfällt, die alten Erdwälle und die denkmalgeschützte Tribüne werden in Schuss gebracht und in das Ensemble integriert.

Das Projekt ist so konzipiert, dass die Bezirksanlage mit TeBe wachsen könnte. Schwingt sich der frühere Bundes- und jetzige Oberligist zu alter Stärke auf - das langfristige Ziel heißt: 2. Bundesliga -, "dann könnte die Arena problemlos auf ein Fassungsvermögen von 30.000 Zuschauern ausgebaut werden", erklärt Kausch. Mit dem Bezirk soll am 15. April über das weitere Prozedere geredet werden. Angeblich gibt es allerdings noch Vorbehalte, da befürchtet wird, dass der Breitensport aus dem Poststadion vertrieben werden könnte. "Dies Angst ist unberechtigt", beteuert Kausch.

Doch was passiert mit Union 06, Ankaraspor und den Leichtathleten, die an der Lehrter Straße beheimatet sind? "Keiner soll vertrieben werden. Wir könnten noch einen weiteren Verein als Nutzer gebrauchen", versichert der TeBe-Aufsichtsratschef. Event-Manager Kausch, der auch die Silvesterfeier am Brandenburger Tor veranstaltet, will die gesamte Sportanlage am Fritz-Schloß-Park erneuern und dem Kiezsport und zugkräftigen Veranstaltungen öffnen.

Dass der Bezirk Treptow-Köpenick dem Rivalen Union einen Erbpachtvertrag für die "Alte Försterei" in Aussicht stellt, damit die Eisernen ihr Stadion profitauglich machen, wertet man bei TeBe als eine Art Grundsatzurteil der Politik. "Da kann man nur sagen: Danke, Union!", so der frühere Borussen-Vorstand Peter Antony, der mit Kausch das Projekt Poststadion auf den Weg gebracht hat. Jetzt hoffen sie, vom Bezirksamt Mitte ebenfalls einen Erbpachtvertrag angeboten zu bekommen.

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