GETEERT & VERSIEGELT: Bio oder tot

Infolge aggressiven Flächenfraßes müssen Bremer Bauern aufgeben - oder zwangsweise auf Öko-Landbau umsteigen. Das findet auch der BUND problematisch

Dieser Eindruck trügt: Bremen hat zu viele Flächen versiegelt. Bild: taz

Bremen steuert direkt auf 100 Prozent Bio zu, also auf biologische Landwirtschaft. "Wer in Bremen konventionelle Landwirtschaft betreiben will, der kommt allmählich in Bedrängnis", bestätigt Georg Wietschorke. Aber für eine gute Nachricht hält das auch der stellvertretende Geschäftsführer des BUND nicht: "Wir haben in Bremen keine Agrarfabriken", sagt er. "Das ist hier eine bäuerliche, sehr naturnahe Landwirtschaft".

Ob die eine Zwangsökologisierung überleben würde, ist zweifelhaft. Sie würde sich nicht aus ideologischem Trotz in andere Geschäftsfelder oder den Ruhestand verabschieden. Sondern aus so einfachen wie handfesten wirtschaftlichen Gründen: "Für 100 Prozent Bio gibt es keinen Absatz", sagt Frank Imhoff, CDU-Parlamentarier und Landwirt in Strohm. Es würde sich nicht mehr lohnen.

Die Zwangsökologisierung ist keine Schikane des neuen Umweltsenators Joachim Lohse (Grüne), sondern eine paradoxe Folge des Flächenfraßes: Die zum Ausgleich für neue Verkehrsflächen geschaffenen Naturschutzgebiete lassen keine andere Agrarform zu. Hintergrund ist eine aggressive Versiegelungspolitik, die mit Beginn der großen Koalition Mitte der 1990er-Jahre angefangen hatte: Statt der unterdurchschnittlichen 0,1 Hektar der Ampelkoalition teerte der Henning-Scherf-Senat vier Jahre in Folge täglich 0,5 Hektar - als hätte man zu viel davon. Erst nach der Jahrtausendwende wurde man ein wenig zögerlicher. Zu spät: Laut einem Umwelt-Benchmarking der Stadt Hannover gabs schon 2004 in Bremen pro Einwohner fast doppelt so viele Siedlungs- und Verkehrsflächen wie in München. Noch immer ist keine deutsche Großstadt planierter. Zwar hatte Einweg-Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) kurz nach seinem Amtsantritt 2007 den Bremer Flächenverbrauch als "Riesenproblem" ausgemacht und angekündigt, ihn durch forcierte Innenstadtentwicklung zu bremsen. Teilweise ist ihm das gelungen: Im Umweltbericht 2011 ist von einem jährlichen Flächenverbrauch "von unter 50 Hektar" die Rede. "Bremen müsste mit zehn Hektar pro Jahr auskommen", sagt Wietschorke.

Mit einer Großen Anfrage bringt Imhoff jetzt das Thema in die Bürgerschaft: Tatsächlich fehlen bislang aktuelle verlässliche Zahlen über die Restbestände an Bremer Äckern. Zugleich, so Imhoff, werde der "rasante Flächenverbrauch" zu einem immer deutlicher spürbaren Problem. Denn landwirtschaftlich genutzte Fläche ist gleich doppelt von ihm betroffen: Selbst in den vergleichsweise sparsamen großkoalitionären Jahren 2003 bis 2007 schrumpfte sie um rund fünf Prozent, anderthalb Prozent Ackerfläche fielen laut Bodennutzungsbericht weg. Zugleich mussten für Eingriffe in Natur und Landschaft sogenannte Ausgleichsflächen ausgewiesen und zum Naturschutzgebiet erklärt werden. Auch die können zwar landwirtschaftlich genutzt werden. Aber eben nur ohne Kunstdünger und ohne konventionellen Pflanzenschutz, und "damit", so Imhoff, "kann ich beispielsweise nicht so viel Gras erzeugen, wie ich brauche, um eine rentable Milchleistung zu erzielen." Betroffen sind davon die meisten Bauern des Landes: Rund um Bremen gibt es sporadischen Gemüse- und Obst-Anbau. Ackerland ist knapp. Die meisten Vollerwerbs-Bauernhöfe, im Blockland genauso wie in Strohm, halten Milchvieh. Deren Erhalt ist auch unter Naturschutzgesichtspunkten wichtig. "Für viele Vogelarten ist der Wechsel von Natur- zu Kulturlandschaft wichtig und interessant", so Wietschorke.

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