"Games Convention Online": Auftritt der Gamer Girls

Auch Frauen mögen Computerspiele - ein Drittel der Besucher der Leipziger "Games Convention Online" wird weiblich sein. Sie haben nichts gegen Ballern - aber tüfteln lieber.

"Mädchen tüfteln gerne, den Jungs sind Geschichten eher wurscht!" Bild: dpa

Dai-Lee Chan hat schon ziemlich viele Ponys gezeichnet. Ponys mit langen Wimpern und liebem Gesicht. Sie hat rosa Schleifchen gemalt und kleine Hasen. Dai-Lee Chan entwirft in einer Werbeagentur die Hüllen für Computerspiele. Das ist ihr Job.

Aber irgendwann im Frühjahr vergangenen Jahres hat es der 24-Jährigen aus Berlin-Reinickendorf gereicht. An diesem besonderen Tag hatte sie genug von all den niedlichen Tierchen, die sie am Bildschirm zeichnen musste, sobald es sich um ein Spiel handelte, das die Hersteller an Mädchen und Frauen verkaufen wollten.

Dai-Lee Chan ist von ihrem Computer aufgestanden und zu den Chefs der Werbeagentur gelaufen. Sie ist eine zierliche Person mit langen dunklen Haaren und leiser Stimme. Vielleicht war ihr in diesem Moment der Mut einer Actionheldin zugeflogen, die beruhigende Gewissheit, schon viele zähnefletschende Monster im Computer erledigt zu haben. Jedenfalls hat sie sich vor ihren Chefs aufgebaut und gesagt: "Hört zu! Mädchen interessieren sich auch für andere Sachen als nur für Pferde, Barbiepuppen und Shoppen gehen!"

Von da war es nur noch ein kurzer Weg bis zur Internetseite www.gamergirls.de, die Dai-Lee Chan dann mit Hilfe ihrer Kollegen von der Werbeagentur gebaut hat und die bislang die einzige deutsche Seite im Internet ist, auf der alles steht, was junge Frauen im Zusammenhang mit Computerspielen interessieren könnte: angefangen von den Neuigkeiten auf dem Markt der Egoshooter bis hin zu einem Backrezept für einen Kuchen in Tetris-Form.

Mehr als 2.200 Menschen klicken Chans Seite täglich an. Und das zeigt ja auch, dass Computerspiele längst nicht mehr nur eine Männerdomäne sind. Hartmut Warkus, Medienpädagoge an der Universität Leipzig, ist so etwas wie eine Kapazität auf dem Gebiet der Computerspiele. Er hat eine freundliche, brummige Stimme am Telefon, und er formuliert es so: "Die Mädels kämpfen jetzt um den Platz am Computer. Die Jungs haben ihn schon!"

Und wenn sich am ersten Augustwochenende in den Messehallen in Leipzig tausende von Spielefans zur "Games Convention Online" treffen, der Messe für Computerspiele im Internet, dann wird natürlich auch Dai-Lee Chan mit ihren Gamer-Girls-Freundinnen dabei sein. Sie haben sich auf ihrer Internetseite verabredet.

Zusammen werden sie auf große Flachbildschirme starren, mit gigantischen Maschinengewehren auf schleimige Zombies schießen, das eine oder andere Abenteuer bestehen. Vor allem aber wird Dai-Lee Chan Ausschau halten nach weiteren jungen Frauen, denen sie ihre runden Aufkleber schenken kann, auf denen steht "www.gamergirls.de". Immerhin sind knapp ein Drittel der Messebesucher weiblich.

Jetzt sitzt Dai-Lee Chan im dämmerigen Souterrain der Werbeagentur, vor ihr flimmert ein Monitor, an der Wand hängt das Poster von einem hasenartigen Wesen, das eine Fernbedienung in der Hand hält, auch eine Figur aus einem Onlinespiel.

Mit zwei Jahren kam Dai-Lee Chan mit ihren Eltern aus Taiwan nach Berlin. Sie erinnert sich genau an den Abend, als sie sieben Jahre alt war. Als ihr Vater, der als Koch in einem Chinarestaurant arbeitete, nach Hause kam mit einem dicken grauen Kasten unterm Arm. Der Kasten war eine Nintendo-Spielekonsole. Von diesem Abend an spielten sie und ihr kleiner Bruder einfach alles.

Weitere Konsolen, Computer und Gameboys folgten. Dai-Lee Chan spielte mit den Jungs aus ihrer Klasse "Counterstrike". "Die Jungs fanden es cool, dass es ein Mädchen gab, das mithalten konnte", meint Chan. "Natürlich spiele ich auch Spiele, wo man seinen Kopf anstrengen muss. Oder entspannende Sachen, wo man fischen geht. Aber ab und zu sind Ballerspiele gut zum Abreagieren." Sie glaubt nicht, dass jeder, der Ballerspiele spielt, automatisch zum Gewalttäter wird.

Professor Warkus glaubt das auch nicht. Entscheidend sei die Gewalterfahrung in der Realität. Computerspiele könnten allenfalls eine verstärkende Rolle haben. "Jugendliche begreifen sehr wohl, dass es sich nur um ein Spiel handelt." Warkus hat im vergangenen Jahr eine Studie über das Spielverhalten von jugendlichen Online-Spielern herausgegeben.

In der Studie steht zwar: "Jungen greifen in größerer Zahl auf elektronische Spiele zu und nutzen sie zudem sehr viel umfassender als Mädchen." Warkus meint indes, das liege an den Angeboten: "In den meisten Computerspielen wird ein Beherrschungsszenario durchgespielt. Das ist sozialisationsbedingt nicht die Spielidee von Mädchen." Weibliche Jugendliche wählten häufiger Spiele, die weniger kampfbetont seien oder verschiedene Spielstrategien zuließen. "Bei den Adventure-Spielen zum Beispiel muss man tüfteln. Da geht es um eine Geschichte. Das liegt den Mädchen. Den Jungs sind Geschichten eher wurscht!"

Da Dai-Lee Chan jetzt Feierabend hat, drückt sie noch ein wenig auf den Navigationstasten der Spielekonsole herum. Auf dem Bildschirm hetzt ein Zwerg durch eine mittelalterliche Stadt. Draußen vor dem Fenster des Büros nimmt ein lauer Sommerabend seinen Lauf. Auf dem Bildschirm fängt es an zu schneien.

"Games Convention" auf der Neuen Messe in Leipzig, 31.7. - 2.8.09

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.