Gastkommentar zu Datenskandal: Den Vorfall lieber nüchtern betrachten

Die Daten der Angriffsziele waren offenbar leicht zu bekommen. Deswegen sollte jetzt über Schutz statt Gegen-Hacking diskutiert werden.

Ein Lan-Kabel

Macht die Daten nicht sicherer: Unterbrechung der Internetverbindung Foto: Markus Spiske/Unsplash

Persönliche Betroffenheit führt in der Politik gerne zu Superlativen. So erklärte der linke Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch das große Datenleck zum „Anschlag auf die Demokratie“. Justizministerin Katarina Barley (SPD) sprach davon, dass die Urheber „das Vertrauen in unsere Demokratie beschädigen“ wollten. Die Bild-Zeitung rief einen „Cyber-Angriff auf Deutschland“ aus, sprach vom „größen Datenklau der deutschen Geschichte“ und spekulierte, dass die zuständigen Stellen den US-Geheimdienst NSA um Hilfe gerufen hätten.

Man sollte den Vorfall lieber nüchtern betrachten, wenn man etwas aus der Sache lernen will: Offenbar gelang es, mit recht trivialen Mitteln, persönlichste Daten von Politikern und Prominenten zu ergattern – und dann weitflächig im Internet zu veröffentlichen. Es braucht für den Daten-Gau also keine elaborierten staatlichen Hackergruppen, wenn die Angriffsziele sowieso mit heruntergelassenen Hosen im Netz stehen.

Es muss deswegen zum Basiswissen in der digitalen Demokratie gehören, dass Passwörter komplex sein sollten und dass wir für jeden Account ein anderes Passwort brauchen. Zur Verwaltung der Passwörter braucht es Passwortmanager, Festplatten und alle Kommunikation sollten standardmäßig verschlüsselt werden. Politik muss endlich diese digitalen Kompetenzen gezielt fördern und gleichzeitig die Industrie zu regelmäßigen Sicherheitsupdates ihrer Software verpflichten.

Zur digitalen Demokratie gehört aber auch, dass unsere Daten nicht ständig als das „Öl der Zukunft“ angepriesen oder Datenschutz als Hemmnis dargestellt wird. Noch im Dezember hatte die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), eine Aufweichung des Datenschutzes im Gesundheitswesen gefordert. Nach dem Datenleck klingt dies nun endlich so absurd, wie es ist.

Statt unsinnigen Forderungen nach einem offensiven Gegen-Hacking, sind nun Lösungen gefragt, die in Richtung Schutz und Defensive zeigen. Wir müssen uns dabei auch die Frage stellen, wie wir den Überwachungskapitalismus mit seinen Datenkonzernen in den Griff bekommen. Letztlich ist es also gut, dass wir eine Debatte zum Thema Datensicherheit haben – auch wenn sie in diesem Fall zu Lasten der Betroffenen geht. Damit sich solche Vorfälle in Zukunft nicht wiederholen, muss die Politik handeln und Datenschutz endlich als Chance begreifen.

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Markus Reuter ist Redakteur bei netzpolitik.org, einer Plattform rund um das Thema digitale Freiheitsrechte. Er beschäftigt sich dort mit den Themen Datenschutz, Grundrechte, Fake-News und Social Bots sowie Soziale Bewegungen.

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