Gaucks Nachfolge: Schwierige Kandidatensuche

Joachim Gauck soll sich entschieden haben, auf eine zweite Amtszeit zu verzichten. Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung sind kompliziert.

Freut sich auf den Ruhestand: Noch-Bundespräsident Joachim Gauck Foto: dpa

BERLIN taz | Das Personalkarussel rotiert. Noch hat Bundespräsident Joachim Gauck nicht offiziell verkündet, auf eine zweite Amtszeit zu verzichten. Doch die Diskussion, wer ihm nachfolgen könnte, ist bereits voll entbrannt. Nur die SPD-Spitze zeigt sich noch reserviert: „Zu Gerüchten nehme ich nicht Stellung“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel am Sonntag im Willy-Brandt-Haus.

Nach Medienberichten hat sich Gauck entschieden, nicht mehr für das höchste Staatsamt zu kandidieren. An diesem Montag um 12.00 Uhr wird er eine Presseerklärung abgeben. Das stürzt die Sozialdemokraten in ein Dilemma, sie befinden sich in einer denkbar schlechten Position. Inständig hatten sie gehofft, der 76-jährige Gauck könnte sich trotz seines fortgeschrittenen Alters zum Weitermachen durchringen.

Ob CDU, CSU, SPD, Grüne oder FDP: Falls er zur Wiederwahl bereit gewesen wäre, hätte Gauck mit einer derart großen Unterstützung rechnen können, dass sich daraus rein gar nichts über mögliche Koalitionspräferenzen hätte herauslesen lassen. „Wenn Joachim Gauck sich entscheidet, wieder zu kandidieren, dann hat er unsere ganze Unterstützung“, verkündet Gabriel immer noch trotzig.

Es wäre eine bequeme Lösung gewesen. Sie hätte die SPD vor einer schweren Entscheidung bewahrt: Welches Signal will sie mit Blick auf die Bundestagswahl im September 2017 aussenden? Wagen es die Genossen, um eine Mehrheit jenseits der Union zu ringen? Oder schicken sie nur einen Zählkandidaten ins Rennen? Wie auch die Entscheidung ausfällt: Es dürfte die falsche sein. Denn die Gemengelage ist aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung kompliziert.

Die Zusammensetzung der Bundesversammlung

Zusammen setzt sie sich aus den 630 Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Delegierten der 16 Landtage. Nach dem jetzigen Stand würde die Union in der Bundesversammlung 544 bis 546 Wahlleute stellen, die SPD 386 bis 389, die Grünen 146 bis 147, die Linkspartei 94, die FDP 31, die AfD 30, die Piraten 14 und die Freien Wähler 10. Jeweils ein Mitglied könnten der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) und die NPD stellen.

Verändern wird sich die Zusammensetzung noch durch die Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im September. Zusammen kommen die beiden kleinen Länder allerdings nur auf 38 Sitze in der Bundesversammlung. Nach den aktuellen Umfragen würde die SPD drei und die Piraten zwei Plätze verlieren, während die AfD sechs hinzugewinnen könnte. Die FDP kann mit einem Sitz mehr rechnen, während der NPD ihr Sitz verloren ginge. An der Grundkonstellation würde sich dadurch nichts ändern.

Nach dem Grundgesetz ist zum Bundespräsidenten gewählt, wer im ersten oder zweiten Wahlgang „die Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“, also mindestens 631 Stimmen. Gelingt das keinem der Kandidaten, ist „gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt“.

Die Große Koalition könnte problemlos einen gemeinsamen Vorschlag durch die Bundesversammlung bringen. Allerdings gilt als nahezu ausgeschlossen, dass sich CDU, CSU und SPD auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigen. Schwarz-Grün hätte ebenfalls die absolute Mehrheit. Doch auch diese Variante gilt als unwahrscheinlich.

Das liegt daran, dass die Union sowohl aus inneren als auch aus wahltaktischen Gründen wohl fest entschlossen ist, diesmal wieder jemanden aus den eigenen Reihen ins Rennen ums Schloss Bellevue zu schicken. Die Frage scheint nur noch, wen sie aufstellt. Viele Kandidaten werden gehandelt: Bundestagspräsident Norbert Lammert, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen oder auch die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Die Union kann darauf hoffen, ihren Bewerber im dritten Wahlgang mithilfe der FDP und der Freien Wähler durchzubringen.

Vereiteln könnte das jedoch ein gemeinsamer Kandidat von SPD, Grünen und Linkspartei – ein rot-rot-grünes Signal wollen allerdings weder SPD noch Grüne aussenden. Gleichwohl: Falls er auch noch die Unterstützung der Piratenpartei und des SSW gewinnen würde, könnte es für ihn sogar im ersten Wahlgang reichen. „Jetzt ist es Zeit, Farbe zu bekennen“, fordern denn auch die Linkspartei-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger zur gemeinsamen Suche auf. „Für das Amt des Staatsoberhaupts wollen wir eine Person, die soziale Gerechtigkeit, Weltoffenheit und Frieden glaubhaft verkörpert.“

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