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Gaza-DealDas ist der Fahrplan für Nahost

Nach der Zustimmung der israelischen Regierung zum Gaza-Abkommen ist eine Waffenruhe in Kraft getreten. Wie geht es jetzt weiter?

Nach dem Deal: Die israelische und die US-Flagge an einer Wand in der Jerusalemer Altstadt Foto: Sinan Abu Mayzer/reuters

Tel Aviv/Gaza/Jerusalem/Kairo/Berlin dpa | Israels Regierung hat den Waffenstillstand mit der radikal-islamischen Hamas und das erste Abkommen zur Freilassung der Geiseln genehmigt und damit den Weg für ein Ende des Krieges im Gazastreifen geebnet. „Die Regierung hat soeben den Rahmen für die Freilassung aller Geiseln – der lebenden und der verstorbenen – gebilligt“, hieß es auf dem englischsprachigen X-Account des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Das israelische Kabinett stimmte dem Gaza-Abkommen am frühen Freitagmorgen zu, etwa 24 Stunden nachdem Vermittler eine Vereinbarung über die Freilassung israelischer Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene bekannt gegeben hatten. Die Hamas hatte den Krieg im Gazastreifen bereits am späten Donnerstagabend für beendet erklärt. Zur Begründung verwies die Gruppe auf Zusicherungen der USA, arabischer Vermittler und der Türkei für ein dauerhaftes Ende der Kämpfe.

Das israelische Militär teilte am Freitagmittag mit, dass die Waffenruhe seit 12 Uhr Ortszeit in Kraft sei. Binnen 24 Stunden nach dem Beschluss sollen sich die israelischen Streitkräfte gemäß dem Fernsehsender Kan veröffentlichten Vertragstext nun auf eine vereinbarte Linie zurückziehen.

Auch Hilfslieferungen in den Gazastreifen sollten laut Kan umgehend ermöglicht werden. Wann die ersten Hilfstransporte ankommen könnten, blieb zunächst unklar.

Überlebende Geiseln sollen binnen 72 Stunden frei sein

Binnen 72 Stunden sollen alle Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer Terroristen freigelassen und die Leichen toter Geiseln übergeben werden. Die US-Regierung hatte betont, dass die Geiselfreilassung absolute Priorität habe. Die Rückkehr soll vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ohne öffentliche Zeremonie und ohne anwesende Medienvertreter organisiert werden.

Gemäß Abmachung soll die Hamas zudem Informationen über die sterblichen Überreste toter Geiseln teilen, deren Verbleib unklar ist. Eine internationale Taskforce aus Experten aus Israel, den USA, Ägypten, Katar, der Türkei und vom Roten Kreuz solle nach den Leichen suchen, berichtete der Fernsehsender i24.

Israel soll im Gegenzug rund 250 wegen schwerer Straftaten zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Häftlinge und etwa 1.700 weitere Palästinenser freilassen, die nach dem 7. Oktober 2023 inhaftiert wurden.

Zweite Verhandlungsphase

Der Trump-Plan enthält Punkte, über die offenbar zunächst weder gesprochen noch eine Einigung erzielt wurde. Dazu zählen die Entwaffnung der Hamas, die Sicherheit im Gazastreifen, der Wiederaufbau des Gebiets sowie die Frage, wer es künftig regieren soll. Die Palästinenser-Regierung im Westjordanland beanspruchte im Widerspruch zum Plan am Donnerstag eine Führungsrolle im Gazastreifen. Arabische Staaten sehen das Abkommen als Ausgangspunkt für ein unabhängiges Palästina, was Netanjahu kategorisch ablehnt. Innerhalb seiner Koalition wurden zudem andere Forderungen laut: Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte, nach der Freilassung aller Geiseln müsse die Hamas vernichtet werden.

In einer zweiten Verhandlungsphase sollen Bedingungen geschaffen werden, die einen Frieden langfristig sichern. So ist ein vollständiger Rückzug der israelischen Soldaten aus Gaza, den die Hamas fordert, laut Trumps Plan erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, wenn eine internationale Stabilisierungstruppe für Sicherheit vor Ort sorgt.

Die für die Region zuständige Kommandozentrale des US-Militärs (Centcom) wird laut hochrangigen Regierungsbeamten 200 Soldaten bereitstellen, die allerdings nicht im Gazastreifen eingesetzt würden. Es gehe darum, ein gemeinsames Kontrollzentrum zu errichten, an dem auch Streitkräfte aus Ägypten, Katar, der Türkei und wahrscheinlich auch der Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt sein sollen, hieß es weiter. Unklar blieb der Zeitplan.

Merz: Keine militärische Beteiligung Deutschlands in Gaza

Bundeskanzler Friedrich Merz hat umfassende Hilfe aus Deutschland bei der Umsetzung des Gaza-Plans angekündigt – Bundeswehr-Soldaten sollen dabei aber nicht zum Einsatz kommen. In einer Mitteilung nannte der Kanzler am Freitag sieben Punkte zur Unterstützung und deutete eine Überprüfung der ausgesetzten Militärhilfe für Israel im Zusammenhang mit dem Gazakrieg an.

Zu dem Hilfspaket gehört unter anderem eine sofortige humanitäre Hilfe in Höhe von 29 Millionen Euro, um der palästinensischen Zivilbevölkerung in dem durch den Krieg mit Israel stark zerstörten Gazastreifen zu helfen. Hilfe soll es aber auch für die freigelassenen israelischen Geiseln sowie für den Wiederaufbau des Küstenstreifens sowie für palästinensische Zivilverwaltung und den Grenzschutz geben. Man wolle auch den notwendigen Reformprozess in der palästinensischen Autonomiebehörde fördern.

„Für Deutschland stellt sich die Frage einer militärischen Beteiligung nicht“, betonte Merz zu der geplanten internationalen Stabilisierungsmission, die den Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas absichern soll. Aber Deutschland wolle mithelfen, den rechtlichen Rahmen für eine solche Präsenz zu schaffen. Zudem kündigte Merz an, dass die Einschränkungen der Rüstungslieferungen an Israel aufgehoben werden könnten: Man werde die Genehmigungspraxis „im Licht der Entwicklungen vor Ort“ überprüfen. Am Donnerstag waren noch Angriffe der israelischen Armee im Gazastreifen gemeldet worden.

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