Gaza-Flotilla: Mehr als nur Selfie-Yachten
Ja, die Aktion der „Global Sumud Flotilla“ ist eine Show. Sich deshalb über sie lustig zu machen, greift aber deutlich zu kurz.

W ieder segelt eine Flotte mit Hilfsgütern Richtung Gaza, wieder ist Greta Thunberg mit an Bord. Wahrscheinlich wird die Mission enden wie Thunbergs letzte Reise im Juni. Damals enterte die israelische Marine ihr Boot und flog die Aktivistin zurück nach Schweden. „Alle Passagiere der ‚Selfie-Yacht‘ sind in Sicherheit“, verkündete das israelische Außenministerium damals. „Die Show ist vorbei.“
Ja, auch die Aktion der „Global Sumud Flotilla“ ist eine Show. In den sozialen Medien sind die Aktivist:innen dauerpräsent, die Hilfsmission ist ein Medienevent. Sich deshalb über sie lustig zu machen, greift zu kurz. Denn eins ist klar: In Gaza-Stadt herrscht Hunger, weil Israel die Einfuhr von Hilfslieferungen blockiert. Und angesichts eines Premierministers Benjamin Netanjahu, der mittlerweile offen seine imperiale Vision eines „Groß-Israel“ propagiert, und westlicher Verbündeter, die sich bis heute nicht zu wirksamen Maßnahmen gegen Israels völkerrechtswidrige Kriegsführung durchringen können, braucht es Protest, der diesen Zustand nicht als neue Normalität akzeptiert.
Dass die Aktivist:innen der Flotilla jetzt mehr tun, als Geld zu spenden oder Petitionen zu unterschreiben, ist gut. Denn anders als Staatschefs oder CEOs bleiben der Zivilgesellschaft oft nur Kreativität und ihre eigenen Körper, um politischen Druck aufzubauen. Und dass strategisch kluger Protest wirken kann, beweisen zahlreiche Beispiele, von den Sit-ins der Bürgerrechtsbewegung in den USA bis zur Boykottbewegung gegenüber Apartheid-Südafrika.
Die Aktion der Flotilla zeigt nun, dass Gaza uns näher ist, als wir denken. Die aus ihren Häusern vertriebenen palästinensischen Kinder spielten diesen Sommer am selben Mittelmeer, an dem sich viele von uns erholten. Ihr Hunger ist menschengemacht, ihnen beizustehen möglich. Trotzdem erreicht sie nicht genug Hilfe. Dafür trägt die israelische Regierung die Verantwortung. Dass sie bis heute weder ausländischen Journalist:innen noch Hilfsorganisationen freien Zugang zum Gazastreifen gewährt, bleibt ein Skandal. Protest, der sich dieser Realität entgegenstemmt, ist dringender denn je.
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