Gaza-Tagebuch: Warum dürfen wir nicht einfach leben?
Das Wiederaufflammen des Krieges in Gaza am Sonntag erschreckt unseren Autor. Er fordert: weg mit der israelischen Besatzung. Und raus mit der Hamas.
M ein Herz schmerzt. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass etwas passieren würde, dass die Waffenruhe doch wieder enden würde. Ich konnte nicht glauben, dass der Krieg einfach so zu Ende gegangen sein sollte.
Mein Instinkt schien richtig zu sein: Am Sonntag ist der Krieg temporär zurückgekehrt. Von den ersten Augenblicken an, als die israelischen Luftangriffe auf Gaza wieder aufgenommen wurden, fühlten wir uns völlig verloren.
Für ein paar Tage – sie fühlten sich an wie ein Wimpernschlag – hatten wir bis zum Sonntag das Gefühl, dass der Krieg wirklich beendet sein könnte. Dass ein neues Leben beginnen könnte – ein Leben mit einem gewissen Maß an Stabilität, auch wenn es natürlich voller Herausforderungen blieb. Zumindest hatten wir die Hoffnung, dass die ständigen Vertreibungen endlich vorbei wären, dass wir uns wieder frei bewegen könnten. Gerade als am Sonntag die Angriffe begannen, waren meine Familie und ich dabei, uns auf einen Umzug in den Norden des Gazastreifens vorzubereiten.
Jetzt verfolgen uns erneut diese Fragen: Wird der Gazastreifen doch vollständig besetzt? Und was bleibt dann von Gaza übrig? Und überhaupt: Was rechtfertigt all das anhaltende Töten?
Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.
Die Auswirkungen des Krieges spüren wir sofort
Innerhalb weniger Stunden verschwanden am Sonntag die Lebensmittel aus Deir al-Balah. Und die Preise für Güter der absoluten Grundbedürfnisse begannen wieder zu steigen.
Wir befanden uns erneut im Krieg. Und allein dieses Gefühl ließ mich fast ersticken. Wir fühlten uns erneut, als sollten wir sterben. Warum dürfen wir nicht einfach leben – so wie der Rest der Welt?
Wir wollen keine israelische Besatzung. Und wir wollen keine Hamas im Gazastreifen. Lasst uns in Ruhe. Lasst uns ohne Einmischung von außen leben. Lasst uns in Frieden.
Wir wollen unser Leben neu aufbauen, weit weg vom Lärm der Granaten, weit weg vom Anblick des Blutes an den Wänden unserer Häuser. Ich möchte zu ruhigen Klängen einschlafen und nicht zu Geräuschen, die mich immer wieder aus dem Schlaf reißen. Die mich hochschrecken lassen, in der Annahme des Schlimmsten. Ich möchte, dass Musik durch die Straßen hallt statt Raketen.
Wir verdienen es zu leben. Die Welt muss das begreifen. Die Waffenruhe ist offiziell zurückgekehrt. Die Angst bleibt.
Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.
Aus dem Englischen: Lisa Schneider
Mahmoud Al-Masri ist 20 Jahre alt und wurde innerhalb des Gazastreifens in den vergangenen beiden Jahren mehrfach vertrieben.
Internationale Journalist*innen können seit Beginn des Kriegs nicht in den Gazastreifen reisen und von dort berichten. Im „Gaza-Tagebuch“ holen wir Stimmen von vor Ort ein. Es erscheint meist auf den Auslandsseiten der taz.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert