Gedenken an Holocaust: Von Avignon nach Sachsenhausen

Ein 66-jähriger Franzosen fährt mit dem Rollstuhl 2.000 km von Frankreich nach Deutschland. Er erinnert damit an seinen im KZ getöteten Urgroßvater.

Nach 2000 Kilometern am Ziel: Guy Patin erreicht am Samstag die Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin. Bild: dpa

ORANIENBURG dpa | Nach rund sieben Wochen größter körperlicher Anstrengung hat er es geschafft: Im Gedenken an seinen einst von den Nazis ermordeten Urgroßvater fuhr der Franzose Guy Patin im Rollstuhl von Frankreich nach Deutschland. Am Samstag erreichte der 66-Jährige die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin. Hinter ihm lagen exakt 2072 Kilometer vom Start in Avignon. Er wolle ein Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft setzen, begründete Patin sein Anliegen.

Etwa 40 Familienmitglieder, Freunde und Vertreter aus seiner Heimatstadt besuchten mit ihm gemeinsam die Gedenkstätte. Er wolle nicht nur an seinen Urgroßvater erinnern, sondern auch an die französischen Widerstandskämpfer, sagte Patin. Angesichts des in Europa erstarkenden Rechtsextremismus warnte er davor, dass sich die Geschichte nicht wiederholen dürfe.

Patin war seit dem 6. Juni in seinem Sport-Rollstuhl unterwegs, den er nur mit den Händen in Bewegung setzte. Nach der anstrengenden 2000-Kilometer-Reise plant der Rentner einen Urlaub.

Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte, Günter Morsch, äußerte seinen Respekt für die Leistung Patins. Die Fahrt zeigte, wie ernst es ihm sei, den Urgroßvater zu würdigen.

1943 war der nach Sachsenhausen verschleppte Urgroßvater in dem Konzentrationslager ums Leben gekommen. Dorthin war der Bergarbeiter und Gewerkschafter 1941 von den Nazis verschleppt worden. Nach einem Streik der Kumpel im Kohlerevier Nordfrankreich wurde er verraten und denunziert. Die insgesamt rund 240 Kumpel waren die ersten französischen Häftlinge, die in ein deutsches KZ kamen.

Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200 000 Menschen inhaftiert. Zehntausende kamen um oder wurden systematisch von der SS ermordet. Auf den Todesmärschen nach der Evakuierung des Lagers Ende April 1945 starben dann einige tausend Häftlinge. Etwa 3000 im Lager zurückgebliebene Kranke, Ärzte und Pfleger wurden am 22. April 1945 von sowjetischen und polnischen Soldaten befreit.

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