Gedenken an NS-Opfer in Weißrussland: „Voller Scham und Trauer“

In Maly Trostinez wurden Zehntausende von den Nazis ermordet. Zur Einweihung einer Gedenkstätte reiste auch Bundespräsident Steinmeier an.

: Besucher bei der Eröffnung der Gedenkstätte Malyj Trostenez am Freitag Foto: dpa

MINSK taz | Die 34 Massengräber sind gekennzeichnet durch einen Belag aus Schotter. Wie viele Menschen in diesen Gruben zwischen 1942 und 1944 verscharrt worden sind, wird für immer unklar bleiben – die Schätzungen reichen von 60.000 bis zu 200.000 Opfern. 17 schlichte Stelen stehen am Rand der Lichtung im Wald von Blagowschtschina, einige Kilometer vom Minsker Stadtrand entfernt, in Weißrussland.

Maly Trostinez, so heißt der ganze Komplex, um den herum von der SS, deutscher Polizei und ihren Helfern die Opfern erschossen und mittels spezieller LKWs vergast wurden. Viele der Ermordeten waren Zivilisten, Partisanen, sowjetische Kriegsgefangene, vor allem aber waren es Juden aus Weißrussland, Deutschland und Tschechien.

Frank-Walter Steinmeier ist an diesem Freitag zur Einweihung der Gedenkstätte Trostinez zum ersten Besuch eines deutschen Bundespräsidenten in Weißrussland gekommen, der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen ist anwesend, Vertreter Tschechiens und Polens, und natürlich der weißussische Präsident Alexander Lukaschenko.

Vor etwa 1.000 geladenen Gästen machen sie den Tag zu einer Demonstration, dass diese NS-Verbrechen nicht vergessen werden dürfen. Einen „lange überfälligen Schritt“ nennt Steinmeier die Einrichtung der Gedenkstätte.

Tatsächlich dürfte kaum ein Deutscher etwas mit dem Namen Maly Trostinez anfangen können, so wenig wie mit den Verbrechen der Nazis in Weißrussland, wo ein Viertel der Bevölkerung die Besatzung nicht überlebte.

Steinmeier spricht nicht nur über die Opfer, er benennt auch Täter. Und er weiß als höchster Raepraesentant der Bundesrepublik die richtigen Worte zu wählen: „Ich stehe vor Ihnen voller Scham und Trauer über das Leid, das Deutsche über Sie gebracht haben“, sagt er.

Fast verblasst scheint der Konflikt unterschiedlicher Gedenkkulturen im Westen und in der früheren Sowjetunion. Juden als eigene Opfergruppe durften lange nicht genannt werden, stattdessen war bis in die jüngste Zeit summarisch von „Sowjetbürgern“ die Rede.

Auch heute ist auf einer Gedenktafel in Trostinez nur von ermordeten “Zivilisten“ die Rede, der Gedenkstein erwähnt dagegen explizit „die aus Österreich, Deutschland, Tschechien und Polen deportierten Juden“.

Die Gedenkstätte selbst wirkt zurückhaltend, nicht so bombastisch wie viele Anlagen aus sowjetischen Zeiten, die die Aufgabe hatten, den “Ruhm der Sowjetarmee“ zu mehren. Und Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko erwähnt in seiner Rede Juden, „denen es bestimmt gewesen sei“, hier ermordet zu werden – vor zehn Jahren noch kaum denkbar.

Ein Fortschritt, der nicht vom Himmel gefallen ist. Denn erst die jahrelange beharrliche zivilgesellschaftliche Arbeit, allen voran vom Dortmunder IBB, hat der Gedenkstätte Trostinez den Weg geebnet – mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

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