Geert Wilders im Wahlkampf: Der lügende Holländer

Alleinherrscher in seiner Partei, Anwalt der Enttäuschten, Hassfigur: Geert Wilders polarisiert und ist damit erfolgreich.

Nahaufnahme von Geert Wilders

Erfolg mit immer gleichen Parolen und vorhersehbaren Forderungen Foto: dpa

AMSTERDAM taz | Es gibt Momente, da scheint ­Geert Wilders in seine Einzelteile zu zerfallen. Nicht die Person, sondern das politische und mediale Phänomen des Chefs der Partij voor de Vrijheid (PVV). Verwundert fragt man sich, wie es diesem Mann mit seinen seit Jahren immer gleichen Parolen und vorhersehbaren Forderungen gelingt, ein ganzes Land vor sich herzutreiben – mal in tiefer Abneigung, mal in hektischer Aufgescheuchtheit, aber auch in hunderttausendfacher Zustimmung.

Spijkenisse war so ein Moment. Wer den niederländischen Wahlkampf verfolgt, weiß: Dieser Name steht für den Ort vor den Toren Rotterdams, in dem die PVV im Februar ihre Kampagne begann. Spijkenisse gilt als PVV-Hochburg. Und doch waren die Einzigen, die in Massen auf den kleinen Marktplatz gekommen waren, internationale Journalisten. Sicher, es gab ein paar „Wilders“-Sprechchöre, und manche Anhänger machten Fotos mit ihrem Idol, doch die Betriebsamkeit schien vor allem Hype zu sein, der den Inhalt weit übersteigt.

Seit Herbst 2015 liegt die PVV in den Umfragen fast ununterbrochen vorne, auch wenn ihr Vorsprung auf die liberale VVD von Premier Mark Rutte auf der Zielgeraden zu schmelzen scheint. Mehr als einmal meldete Wilders, ein 54-jähriger gelernter Sozialversicherungsexperte, seinen Anspruch an, ins sogenannte Türmchen am Rand des Parlamentsgebäudes einzuziehen, das den Arbeitsplatz des niederländischen Premiers beherbergt. Aus Mangel an potenziellen Koalitionspartnern ist dies indes so gut wie ausgeschlossen.

Die Beliebtheit Wilders', der sich seit über zehn Jahren wegen islamistischer Todesdrohungen an wechselnden Orten verstecken muss, speist sich inhaltlich aus drei Quellen: der Inszenierung als Rebell gegen die sogenannte politische Elite in Den Haag und Brüssel – im Dienste der kleinen Leute; dem Eintreten gegen eine angebliche Masseneinwanderung und Einsatz für die vermeintlich bedrohte niederländische Kultur, sowie seiner antiislamischen Agitation. In Wilders’Rhetorik werden diese drei Stränge vielfach verwoben.

Debatten mit Eskalationspotential

Auffällig ist, dass die PVV mehrfach Rückschläge bei Wahlen überwunden hat. Und selbst wenn Kommentatoren sie abschrieben, kam sie jedes Mal zurück. Zum einen zeugt das, elf Jahre nach der Parteigründung, von einer sich stabilisierenden Wählerschaft, zum anderen von der spezifischen Konjunktur, die besagte Themen in den Niederlanden haben. Die Debatte über Multikulturalismus, Zuwanderung und Islam begann hier früher als in anderen Ländern und birgt noch immer ein besonders rasantes Eskalationspotenzial.

Das aktuelle Wahlprogramm der PVV unter dem Motto: „Die Niederlande wieder unser“, ist nicht mehr als ein spitz formuliertes 11-Punkte-Programm. Dass dies „auf eine DIN-A4- Seite passt“, vermeldete man eher stolz – ganz als wolle man sich so vom bürokratischen Den Haager Establishment absetzen.

Auch nach Rückschlägen kommt Wilders immer ­wieder zurück.

„Die Niederlande deislamisieren“ lautet das oberste Ziel. Dazu will man die Grenzen für Asylsuchende und Migranten aus islamischen Ländern dichtmachen, Asylzentren schließen und das Kopftuch in öffentlichen Funktionen verbieten. Auch Koranverbot und die Schließung von Moscheen und islamischen Schulen stehen auf dem Programm.

„Hart, wo nötig – weich, wo möglich“

Weiterhin peilt die PVV den Austritt der Niederlande aus der EU an, plant den Etat für Verteidigung und Polizei aufzustocken und Ausgaben für „Entwicklungshilfe, Windmühlen, Kunst, Innovation, Rundfunk etc.“ zu streichen. Die Einkommens- und Kfz-Steuer sollen niedriger werden, bindende Referenden zu „mehr direkter Demokratie“ führen. Dass die internen Strukturen der PVV vor allem auf die Machtposition des einzigen Parteimitglieds Wilders zugeschnitten sind, wird von PVV-Wählern in der Regel vernachlässigt.

Vier der Agendapunkte betreffen den sozialen Bereich. Die PVV kündigt niedrigere Mieten und eine Rückkehr zur Rente mit 65 (statt 67) ebenso an wie die „Rücknahme der Kürzungen in der Haus- und Altenpflege“. Den ungeliebten Eigenbeitrag zur Krankenversicherung will man abschaffen. Deutlich spiegelt sich in diesem Programm ein Anspruch wider, den Wilders auf der Website des Parlaments im Namen seiner Partei verkündet: „Hart, wo nötig, weich, wo möglich.“

Im Parlament tun sich vor allem die Parteien des linken bis liberalen Spektrums als PVV-Gegner hervor: GroenLinks, die Socialistische Partij (die jedoch Schnittmengen hat) und Democraten66 (D66). In einer ambivalenten Lage befindet sich die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA): Trotz inhaltlichen Gegensatzes zur PVV hat sie zahlreiche Wähler an diese verloren.

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