Gefährderhaft in Bayern: Völlig unverhältnismäßig

Ein bayerischer Gesetzentwurf sieht vor, Präventivhaft ohne zeitliche Obergrenze einzuführen. Beim BGH dürfte der Vorschlag durchfallen.

Ein Justizvollzugsbeamer läuft neben einem Zaun

Eine drohende Gefahr reicht als Haftgrund Foto: dpa

FREIBURG taz | Die von Bayern geplante zeitlich unbeschränkte Präventivhaft dürfte verfassungswidrig sein. Der Vorschlag ist so offensichtlich unverhältnismäßig, dass eine Klage beim Bundesverfassungsgericht Erfolg haben müsste.

Jede Freiheitsentziehung ist ein schwerer Grundrechtseingriff. Das Grundgesetz erlaubt solche Eingriffe aber, wenn es ein Gesetz dafür gibt. Da Bayern sein Polizeigesetz ändern will, ist diese Bedingung erfüllt.

Eine zeitliche Obergrenze sieht das Grundgesetz nur für die Festnahme durch die Polizei vor. Ohne richterlichen Beschluss darf die Polizei niemand länger als bis zum Ende des nächsten Tages festhalten. Da das bayerische Gesetz einen richterlichen Beschluss für den Gewahrsam vorsieht, ist diese Grenze hier nicht relevant.

Zu beachten ist aber das Verhältnismäßigkeits-Prinzip, das laut Bundesverfassungsgericht immer gilt, wenn der Staat in Grundrechte der Bürger eingreift. Eine unbegrenzte Präventivhaft kann da kaum rechtfertigt werden, auch die Begrenzung auf ein Jahr beim ersten Mal wirkt exzessiv. In Sachsen hat das dortige Landesverfassungsgericht 1994 schon eine geplante 14-tägige Präventivhaft für viele Zwecke beanstandet.

Ein Ministeriumssprecher wollte nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks (BR) vom Mittwoch nicht bestätigen, dass Gefährder künftig zeitlich unbefristet in Gewahrsam genommen werden können. Die in der vergangenen Woche von der CSU-geführten Landesregierung gebilligte Vorlage sieht Grundlagen für den Einsatz elektronischer Fußfesseln bei Gefährdern vor. Verstoßen diese gegen damit verbundene Anordnungen, sollen sie laut bayerischer Landesregierung auch präventiv in Gewahrsam genommen werden können.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte gegenüber dem BR, über die Haftdauer entscheide in jedem Einzelfall ein Richter. Als Beispiel nannte das Ministerium demnach eine Situation, in der ein Gefährder für eine Großveranstaltung wie das Oktoberfest mit einem Anschlage drohe. In diesem Fall könnte der Gefährder für die Dauer der Veranstaltung präventiv festgesetzt werden. (afp)

Zwar müssen bei drohenden Terroranschlägen besonders hochrangige Rechtsgüter – Leben und Gesundheit der Bürger – geschützt werden. Auf der anderen Seite will die bayerische Regierung aber nicht einmal eine konkrete Gefahr als Voraussetzung für eine Gewahrsamnahme verlangen; eine „drohende Gefahr“ soll genügen. Dem Richter, der über die Fortdauer der Haft und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit entscheiden muss, werden keine konkreten Kriterien an die Hand gegeben. Das dürfte kaum genügen.

Zu beachten ist auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er hat in einem Urteil von 2013 drei Voraussetzung für einen Präventivgewahrsam verlangt. Erstens müssen Ort und Zeit der Tat, die verhindert werden soll, sowie das potentielle Opfer hinreichend konkretisiert sein. Zweitens muss die Polizei den potenziellen Täter zunächst konkret auf die zu unterlassende Handlung hinweisen. Inhaftiert werden kann er erst, wenn er drittens dann „eindeutige und aktive Schritte“ unternimmt, „die darauf hindeuten, dass er der konkretisierten Verpflichtung nicht nachkommen wird“.

Das Urteil erging im Fall eines deutschen Hooligans. Das Bundesverfassungsgericht machte sich die Maßstäbe in einem Beschluss von 2016 zu eigen.

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