Gefährdete arabische Despoten (II): Ausnahme ist Dauerzustand in Algerien

Seit Jahren kommt es immer wieder zu spontanen Revolten in Algerien. Seit Anfang des Jahres verschärft sich die Lage. Aber Präsident Abdelaziz Bouteflika schweigt.

Lautstark gegen den Präsidenten: Demonstranten in Algerien. Bild: reuters

Schwere Unruhen zu Beginn des Jahres, mindestens fünf Tote bei Niederschlagung der Jugendrevolten alleine diesen Monat, Demonstrationsverbote und mindestens neun Selbstverbrennungen aus Protest gegen die soziale Lage - und Präsident Abdelaziz Bouteflika ist völlig von der Bildfläche verschwunden. Kein einziges Mal reagierte der algerische Präsident auf die explosive Lage im Land.

"Wer regiert Algerien?", fragt die Tageszeitung El Watan am Montag im Leitartikel. Wer sich auf der Straße umhört, bekommt prompt die Antwort: "Die Generäle." Die Armee ist die Macht im Hintergrund. Nur wer von ihr unterstützt wird, gewinnt die Wahlen - oder wird zum Gewinner erklärt. Demonstrationen werden keine genehmigt.

In Algerien herrscht seit 19 Jahren Ausnahmezustand. Das bekamen vorige Woche die Anhänger der Oppositionspartei "Versammlung für Kultur und Demokratie" zu spüren. Ein Marsch in Algier für einen demokratischen Wandel wurde gewaltsam aufgelöst. Selbst so manche kritische Äußerung ist mehr Ausdruck von Rivalität im Militärapparat als Zeichen einer lebendigen Zivilgesellschaft.

"Das algerische System ist wesentlich komplexer als das in Tunesien", analysiert Anwalt Abdenour Ali Yahia. "Unsere Ansprechpartner in der Regierung sind nicht die Einzigen, die im Lande Entscheidungen treffen", fügt der Veteran der Menschenrechtsbewegung hinzu. Voller Neid schaut die Opposition ins Nachbarland Tunesien, dessen Fahne sie auf der unterdrückten Demonstration mitführten. Dort gelang es, die Menschen um ein einziges Ziel zu vereinen, den Sturz der Diktatur.

Die algerische Regierung hat es verstanden, die spontanen Revolten, zu denen es seit Jahren immer wieder kommt, niederzuschlagen, bevor sie übergreifen oder sich politisieren. "Ich muss zugeben, dass es ein Gefühl der Ungerechtigkeit gibt", sagte Innenminister Ould Kablia nach den letzten Revolten gegen die Erhöhung der Preise für Grundnahrungsmittel. Doch sehe er "keine politische Forderungen".

Genau das will die schwach organisierte Opposition ändern. Aufgeschreckt von den Unruhen im eigenen Land und der Revolution in Tunesien entsteht erstmals ein breites Bündnis aus Parteien, Studentenorganisationen, Intellektuellen und Menschenrechtsaktivisten. "Wir müssen die Logik der Regierung verlassen, die von Unruhen gegen die Zuckerpreise redet und die Demonstranten als Kleinkriminelle darstellt", mahnt der Chefredakteur der Wochenendausgabe von El Watan, Adlène Meddi.

Es gelte die Debatte über "die Art und Weise der Regierung, die Freiheiten und den Ausnahmezustand zu führen". Für den 12. Februar ruft ein Bündnis zu einer Großdemonstration in Algier auf. Diesmal soll es eine Kraftprobe werden. "Wir werden eine friedliche Demonstration durchführen, auch wenn sie erneut verboten wird", kündigt Sprecher Ali Yahia an.

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